12. August 2021: Von Głogów nach Płock

Ich beginne mit zwei Vorbemerkungen: Als erstes möchte ich mich dafür entschuldigen, dass der Bericht über gestern erst heute Nachmittag kommt. Das liegt daran, dass in dem Hotel, in dem ich in der letzten Nacht übernachtet habe, das WLAN zeitweise ausgefallen ist. Da bin ich lieber gefahren und habe die Abfassung des Blogs verschoben. Der zweite Punkt betrifft die Fotos, die ich in den Text einstreue. Es ist mir ziemlich peinlich, dass die so merkwürdig formatiert sind, aber im Moment schaffe ich es nicht, das zu ändern. Ich arbeite ja mit WordPress, und da ändern sich solche Dinge häufig. Und wenn ich dann nach einem Jahr wieder mal blogge, funktioniert das, was ich kann, nicht mehr. Ich verspreche aber, alles in Ordnung zu bringen, spätestens in Tübingen, hoffentlich auch schon vorher.

Der Bericht über gestern wird etwas kürzer, weil ich wieder einen größeren Teil des Tages mit dem Auto unterwegs bin. Die geneigte Leserin bzw. der geneigte Leser wissen das zwar noch nicht, aber ich will bis in den äußersten Osten Polens fahren, in die Nähe der belarussischen Grenze, von wo ich mich dann auf einen gemütlichen Rückweg durch Ost- und Südpolen machen will. Deshalb wollte ich gestern von Głogów aus ein größeres Stück nach Osten fahren, und zwar in das nordwestlich von Warschau gelegene Płock, wo ich schon mal, konkret im August 2009, einige Tage verbracht habe.

Kurz nach 9:30 Uhr bin ich losgefahren, zunächst in Richtung von Leszno / Lissa und Poznań / Posen. Ich war aber wild entschlossen, nicht in diesen beiden Städten haltzumachen, erstens weil ich sie schon kenne, zweitens weil ich den Fehler vom Dienstag vermeiden wollte, wo ich wegen zu vieler Zwischenstopps erst recht spät in Głogów eingetroffen bin. So fuhr ich ohne Halt auf der beschriebenen Strecke, ab Poznań dann auch auf der Autobahn, bis zu dem Städtchen Koło, von wo ich dann auf der Landstraße bis Płock fuhr. Nach Gostynin und schon recht nahe an Płock konnte ich aber der Versuchung nicht widerstehen, in einer Gaststätte der Kette „Babskie jadło“ („Großmutters Essen“) abzusteigen, weil ich hoffte, dort vegetarische Piroggen vorzufinden. Die waren zwar leider aus, aber die Pfannkuchen mit Quarkfüllung haben ebenfalls gut geschmeckt.

Kurz nach 15 Uhr war ich dann in Płock und bin zum Hotel gefahren, in dem es keine Rezeption gibt, sondern wo man alles selbst mit einem Code erledigt, der einem per E-Mail zugeschickt wird. Das war also ein ähnliches Modell wie in Česká Lípa, freilich mit dem Unterschied, dass ich in Płock auch später niemanden erblickt habe. Ich stellte meine Sachen in das Hotelzimmer und machte mich auf den Weg zur Stadt – der erstaunlich weit war. Zwar hatte ich bei der Buchung des Hotels registriert, dass dieses in einem Vorort liegt, aber die Entfernung schien mir nicht so schlimm. Die Entfernung war aber auch weniger das Problem als vielmehr die Frage nach dem richtigen Weg…

Von GoogleMaps nur mittelmäßig beraten, hatte ich einige Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden. Und die Straße „Górna“, die eigentlich in die Stadt führen sollte, mündete bald in einen engen Waldweg. Dem bin ich nach erstem Zögern gefolgt (ich wusste ja, in welcher Richtung die Stadt ist), muss dann aber in Richtung Weichsel vom richtigen Weg abgekommen sein. Jedenfalls wanderte ich lange durch Gärten und kleine Straßen, bis ich schließlich an den orthodoxen Friedhof kam – da wusste ich, dass die Stadt nicht mehr weit sein kann…

Nach dem orthodoxen Friedhof kam der mariavitische, denn die Mariaviten, eine Abspaltung der katholischen Kirche, die besonders die Mutter Maria verehrt (der Name kommt von „Mariae vita“), hat ihr Zentrum in Płock (dazu unten mehr). Dann war ich bald in der Stadt und als erstes an einem monumentalen Denkmal des mir unbekannten Dichters Władysław Broniewski (1897–1962). Dann kam ich zu einer Gedenkstätte, in der offenbar aller Schlachten in der Nähe von Płock gedacht wird. Die wichtigste Schlachten ist die sog. Schlacht von Warschau, in Polen auch als „Wunder an der Weichsel“ bekannt, in der 1920 die sowjetischen Truppen, die schon große Teile des Landes besetzt hatten, zurückgeschlagen wurden.

Weiter ging es zum Dom, der hier nicht auf einer Insel steht, aber hoch über der Weichsel, dort fiel mir dann auf einmal ein, was mich hier 2009 am meisten fasziniert hat, nämlich die Bronzetüren, die sich dort befinden bzw. auch nicht befinden. Die ursprünglichen Türen aus dem Jahr 1154 sind nämlich heute in Novgorod, in Płock gibt es nur noch eine Kopie. Als ich dort gestern stand, konnte ich mich an die Geschichte nur noch vage erinnern, und auch die Türe habe ich nicht gefunden. Abends habe ich meine Mails von damals nachgelesen und festgestellt, dass ich mich seinerzeit sogar gefragt habe, ob das alles eine unglaubwürdige Legende ist. Aber die Wissenschaft scheint sich doch recht einig zu sein, dass in Novgorod Türen sind, die ursprünglich für Płock produziert wurden.

Von den Türen abgesehen ist der Dom zwar schön, aber nichts Außergewöhnliches, er ist einfach zu oft umgebaut worden. So bin ich bald weitergegangen, in die Fußgängerzone und hin zu der Kirche der oben bereits erwähnten Mariaviten. Die war aber leider schon zu, sodass ich nur die Fassade fotografiert und einige Aufschriften gelesen habe. Aber mit den Mariaviten habe ich mich schon 2009 ausführlicher beschäftigt. Sie entstanden um 1900, als die Ordensschwester Feliksa Kozłowska (1862-1921) diverse Offenbarungen hatte und einen neuen Orden gründen wollte. 1904 reiste sie, begleitet von dem Priester Jan Maria Michał Kowalski (1871–1942), nach Rom und bat den Papst um die Zulassung ihres Ordens. Die wurde ihr aber verwehrt, und so verselbständigten sich die Mariaviten 1905. Die Geschichte der Glaubensgemeinschaft war ziemlich stürmisch, denn Jan Maria Michał Kowalski begann in den zwanziger Jahren, Ehen zwischen Priestern und Nonnen zu stiften, und führte 1929 die Frauenordination ein. Nach einem großen Konflikt spaltete sich die Kirche dann auf. Die Anhänger_innen von Jan Maria Michał Kowalski (der 1942 in Deutschland ermordet wurde) bilden eine kleine Gruppe mit Frauenordination, einer Bischöfin etc., die Mehrheit hat die Neuerungen wieder fallen lassen und bildet eine den Altkatholiken vergleichbare Gruppe, allerdings mit zusätzlicher Verehrung von Feliksa Kozłowska.

Ja, und dann stand ich schon auf dem Hauptplatz vor dem Haus, in dem von 1802–1804 E.T.A. Hoffmann lebte und das heute „Haus Darmstadt“ heißt. Das Haus kann man vermutlich auch besichtigen, ich habe nur in dem davor befindlichen Restaurant eine Limonade getrunken und habe mich dann auf dem Hauptplatz umgesehen. Dort fand nämlich ein Konzert mit Country-Musik statt, und es gab zwei Ausstellungen, die eine über die Geschichte der Volkszählungen in Polen, die zweite über die Rolle von Pfadfinderinnen und Pfandfinder bei der Verteidigung Polens, insbesondere 1920. Das klingt nach einem harmlosen Thema, ist es aber überhaupt nicht, denn in Polen gibt es eine Tradition von Kindersoldaten, die heute noch gefeiert werden, anstatt dass man eine Diskussion über diese fragwürdige Erscheinung führt. Eines der Fotos zeigt Tadeusz Jasiński, der 1939 bei der Verteidigung von Grodno mit 13 Jahren ums Leben gekommen ist…

Auf dem Rückweg wollte ich noch etwas essen, habe aber das Restaurant „Pizza Killer“ doch lieber verschmäht. Statt dessen war ich in einem Restaurant, wo es eine vegetarische Kohlroulade gab – die schmeckte sogar ziemlich gut. Der Rückweg ins Hotel war dann etwas einfacher als der Hinweg, weil ich mich besser informiert habe. Verwundert war ich allerdings, wie die Straße „Górna“ auf dem Rückweg aussah…

2 Kommentare

  • Vielen Dank auch für diesen informativen Rundgang. Ist ja gut, dass Du durch die Górna noch bei Tageslicht zurückgekehrt bist… Gute Weiterreise und schönes Wochenende!

  • Trotz aller Merkwürdigkeiten bestand keine Gefahr, dass ich erst in der Dunkelheit ins Hotel zurückkomme. Derzeit geht die Sonne ja noch recht spät unter. Und ein Nachtschwärmer im engeren Sinne war ich noch nie…

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