4. August 2018: Ausflug ins Großmährische Reich

Am Samstagvormittag habe ich Einkäufe gemacht und habe auf dem Hauptplatz einen Kaffee getrunken, ein richtiger Ausflug erfolgte erst am Nachmittag. Und zwar wollte ich das Großmährische Museum (Památník Velké Moravy) in Staré Město besuchen, wo ich zwar schon einmal war, aber vor vielen Jahren (vermutlich 1992). Schon als mich der Taxifahrer zum Abschleppdienst brachte, hatte ich Wegweiser und ein großes modernes Gebäude gesehen, und ich hatte schon fantastische Vorstellungen davon, welche Blüten der Kult um Großmähren hier treibt.

Als ich nach einem kurzen Spaziergang über die Brücke und durch Staré Město zum Museum kam, stellte ich aber fest, dass das große moderne Gebäude eine katholische Kirche ist, die hier 1997 erbaut wurde. Das macht die Sache weniger aufregend, auch wenn ich mich wundere, dass die katholische Kirche so nahe bei einer Ausgrabungsstätte bauen darf. Aber wahrscheinlich ist das im katholisch dominierten Südmähren einfacher als anderswo…

Großmährisches Museum

Ich hatte die vage Erinnerung, als sei das Museum damals mitten in bebautem Gebiet gestanden. Das kann aber fast nicht sein, weil es um das Museum auch noch andere Neubauten gibt, darunter ein Infozentrum. In diesem war ich zuerst und wurde ins Museum weitergeschickt, in dem sich damals wie heute in der Mitte die Grundrisse einer Kirche samt anliegenden Gräbern befinden, während man außenherum eine Ausstellung besichtigt. Anders als 1992 sieht man aber als erstes einen Film an, der in der Ausgrabungsstätte Modrá spielt und in dem es darum geht, dass fremde Krieger ein großmährisches Dorf überfallen. Der Anführer der Mähren wird getötet und christlich begraben. Alles mit schönen großflächigen Bildern vom Leben im 9. Jahrhundert und ohne viel Text – der ist aber auf Tschechisch, mit englischen Untertiteln, nicht etwa auf Altkirchenslavisch. Nur am Schluss wird sehr undeutlich in einer älteren Sprachform gesungen, aber ich würde mich nicht wundern, wenn das heutiges Kirchenslavisch wäre… Sprecher dieser Varietät sind ja nicht schwer aufzutreiben…

Auffällig fand ich, dass alle Mährer in dem Film lange Haare tragen, und dazu passte dann auch der Herr an der Kasse – den ich mich nicht zu fragen getraut habe, ob er in dem Film mitgespielt hat. Er verkaufte mir ein Eintrittskarte und bot mir einen „Audio-Guide“ an, den ich mit der Begründung, dass ich mich in der Thematik auskenne, verweigert habe. Ich habe aber ein Heft mit dem Text der Führung gekauft.Glagolitische Wandinschrift

Ja, und dann war ich in der Ausstellung, die wirklich ziemlich bemerkenswert ist. Gleich zu Anfang gibt es an der Wand einen langen Text in glagolitischer Schrift, später auch zwei in kyrillischer und einen in Lateinschrift. Der in Lateinschrift enthält den Anfang der Freisinger Denkmäler, die aber mit Verlaub aus einer anderen Gegend stammen (aus dem heutigen Slowenien). Und die Vitrine, die ich 1992 gesehen und nie wieder vergessen habe, gibt es auch noch: In ihr liegen Schreibutensilien und ein glagolitisch beschriftetes modernes Pergament – dass man im gesamten großmährischen Grabungsgebiet keine einzige Inschrift gefunden hat, steht dagegen nicht dabei.

Anders als bei meinem ersten Besuch ist die ganze Ausstellung entlang der Lebensgeschichte eines fiktiven Großmähren namens Mojslav aufgebaut (ich hoffe, die Ausstellungsmacher haben sich in Brünn die Bestätigung eingeholt, dass es um einen korrekt gebildeten Vornamen geht!). Mojslav wird in verschiedenen Phasen seines Lebens gezeigt, als Knabe, als Erwachsener, als Soldat und als Zeuge des Begräbnisses von Fürst Svatopluk. Warum sein eigenes Begräbnis nicht gezeigt wird, bleibt rätselhaft.

Begräbnis des Fürsten Svatopluk
Vitrine zur glagolitischen Schrift

Die Ausgrabung in der Mitte ist tatsächlich recht eindrucksvoll, und ich frage mich, ob die damals wirklich genauso aussah. Hinzugefügt sind jedenfalls Schaukästen mit Hinweisen zu den Begräbnisriten. Man hat nämlich eine Reihe von Gräbern gefunden, in denen Steine auf den Skeletten lagen oder wo die Skelette unnatürlich verformt wurden, das wird als Hinweis auf den Glauben an Vampire gesehen, der sich in der ersten christlichen Zeit noch hielt. Es handelt sich übrigens überwiegend um Kindergräber.

Blick auf die Ausgrabungen

Bevor ich das Museum verließ, habe ich mich noch auf Altkirchenslavisch ins Gästebuch eingetragen, peinlicherweise in kyrillischer Schrift, weil ich nicht gut genug Glagolitisch kann. Und der Text ist ziemlich schwachsinnig, ich hatte ja kein Wörterbuch dabei. Es bleibt zu hoffen, dass nicht in den nächsten Wochen eine Exkursion aus einer der Hochburgen der Paläoslavistik in Staré Město eintrifft und meine Eintragung analysiert.

Café „Anděl“

Neben dem Museum ist auch ein Café, das aber keine großmährischen Reminiszenzen aufweist (es heißt Anděl ‘Engel’). Da ist man vorsichtiger als im polnischen Biskupin, wo ich vor Jahren war und in dessen Nähe es eine Karczma prasłowiańska (Urslavische Schenke) gibt. Die war seinerzeit allerdings geschlossen.

Abends war ich noch in der Stadt essen und bin noch einmal auf den Hauptplatz gegangen, wo Ausschnitte aus neuen Filmen gezeigt wurden. Weil mein Handy behauptete, es regne (was aber in diesem Moment noch nicht zutraf), bin ich nicht lange geblieben und dann früh ins Bett gegangen.

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