Nach einem Frühstück in der Bäckerei im gleichen Haus (die wirklich zu empfehlen ist) bin ich gegen 9 Uhr losgefahren, und zwar nach Norden, zur polnischen Grenze. Unterwegs passierte ich verschiedene Orte, wo es sich lohnen würde, haltzumachen, etwa Svinišťany / Schweinschädel (wo am 26. Juni 1866 die Schlacht von Schweinschädel stattfand) oder auch Náchod (wo mich vor allem das Schloss der Familie Schaumburg-Lippe locken würde), aber ich wollte schnell vorankommen und war also bald an der Grenze und dann in der Grafschaft Kłodzko / Glatz. Diese Gegend habe ich im Sommer 2011 sehr gründlich bereist und kennengelernt und war auch später noch mehrfach dort. Allerdings habe ich mir in den letzten Jahren angewöhnt, dann immer nur das „niederschlesische Jerusalem“ zu besuchen, d.h. den Wallfahrtsort Wambierzyce, der auf Tschechisch Vambeřice und auf Deutsch Albendorf heißt.
Ab der Grenze fuhr ich auf der Schnellstraße, die letztlich bis Wrocław / Breslau führt und auf der man immer nur sehr langsam vorankommt. Es fahren dort viele Lastwagen und man kann selten überholen. Aber dafür ist die Landschaft schön und man sieht so manches am Straßenrand. Nach etwa 30 km bin ich dann nach links abgebogen und auf einer kleineren Straße Wambierzyce gekommen. Obwohl nun schon späterer Vormittag war, war dort nichts los, aber das kenne ich schon, in Wambierzyce ist nie viel los. Es gibt dort beispielsweise auch keinen Geldautomaten, was insofern eine Rolle spielte, weil ich damit rechnete, für den Parkplatz zahlen zu müssen. Und ich hatte merkwürdigerweise bei mir zu Hause kein polnisches Geld gefunden, das ich hätte mitnehmen können. Also parkte ich gleich am Stadtrand und ging zu Fuß zur Wallfahrtskirche. Die Treppe vor der Kirche war voll mit Menschen, einer Reisegruppe, die aber gerade die Kirche verließ, als ich hineinging, war es ziemlich leer.
Ich bin erst durch die Räume gegangen, die um die eigentliche Kirche herum liegen, dort stehen Altäre und hängen Bilder, insbesondere auch Votivbilder – die im Übrigen fast alle auf Deutsch beschriftet sind. Ferner wird hier an Personen erinnert, die mit der Kirche verbunden waren, wie etwa Johannes Paul II. und der im KZ Dachau ums Leben gekommene Gerhard Hirschfelder. Die Kirche selbst ist prächtig barock ausgestattet, aber das Gnadenbild ist klein, und man kann es nur schwer sehen. Interessant fand ich, wie wenige Leute da waren. Dafür mag es alle möglichen Gründe geben, aber mich lässt der Gedanke nicht los, dass es früher anders war. Und diese Überlegung wird gestützt durch ein Erlebnis, dass ich in den Räumen außerhalb der Kirche hatte: Eine polnische Familie war kurz nach mir hereingekommen und besichtigte alles gründlich. Und die Mutter der Familie fragte mich, ob ich wüsste, wo hier die „Schädelkapelle“ sei. Ich habe dann gleich geantwortet, dass diese Kapelle nicht hier, sondern in Czermna / Tscherbeney ist, dort habe ich sie vor Jahren besucht (und fand sie ziemlich gruselig). Die Familie nahm das freundlich zur Kenntnis, schaute noch ein paar Bilder an und verließ dann das Gebäude – ohne in die eigentliche Kirche zu gehen. Das fand ich nun wirklich sehr auffällig, sie waren offenkundig nicht als Wallfahrer, sondern als Touristen gekommen.
Dann fuhr ich wieder zur großen Straße zurück und weiter in Richtung Breslau. Vielleicht hätte ich in der Stadt Glatz haltgemacht, aber die Straße führt jetzt an der Stadt vorbei, so ist die Versuchung geringer. Und ich bin weiter in Richtung Bardo / Wartha gefahren, einem weiteren Ort, den ich in dieser Gegend gerne besuche. Dort steht eine weitere Wallfahrtskirche, zu der früher angeblich bis zu 170.000 Pilger im Jahr kommen. Heute ist das alles etwas bescheidener, aber die Kirche ist immer noch beeindruckend.
Kurz vor Bardo aß ich an einer Raststätte zu Mittag, mit einem interessanten Erlebnis. Und zwar sagte ich zu der Dame an der Kasse, dass ich kein Fleisch esse und nicht so recht weiß, ob ich etwas auf der Speisekarte finde. Worauf sie mir dann mehrere Posten auf der Karte nannte, die man auch ohne Fleisch bekommt. So wurde ich wirklich satt, und fuhr dann in die Stadt hinauf. Ich parkte auf einem engen Parkplatz beim Rathaus und ging zur Kirche, die natürlich wieder völlig leer war. Vorne am Alter schmückten mehrere Männer den Altar und einige Bänke mit Blumen, ich nähere mich interssiert und sah, dass dort ein offener Sarg stand. Leicht erschrocken habe ich mich zurückgezogen, habe aber später, als die Männer gegangen waren, noch einmal nachgeschaut, weil ich inzwischen für möglich hielt, dass ich mich getäuscht habe. Aber tatsächlich stand da ein offener Sarg, in dem eine alte Dame lag… Als ich die Kirche verließ, kamen mir dann die ersten Trauergäste entgegen.
Weiter fuhr ich dann nach Osten, also nicht in Richtung Breslau, vorbei an Paczków und Otmuchów, wo man teilweise an Seen vorbeifährt, und zunächst bis Nysa / Neiße. Dort gelang es mir endlich, Geld abzuheben, aber ich bin nicht zu Eichendorffs Grab gegangen, obwohl das eigentlich auch zum üblichen Programm gehört. Aber ich konnte auf die Schnelle nicht herausfinden, welcher Friedhof es ist, und war dann doch vorsichtig. Ich fuhr lieber weiter in Richtung Opole / Oppeln, um dann irgendwann auf die Autobahn A4 zu kommen, die an Katowice / Kattowitz vorbei schließlich bis Pszczyna führt, wo man in Richtung Auschwitz und Bielany abbiegt.
Diese Fahrt gestaltete sich nicht so einfach, weil mich mein Navigator mehrfach in die Irre führte. Das liegt daran, dass er leider nicht die aktuellsten Karten verwendet. Und ich habe es bisher nicht geschafft, neue Karten zu installieren. Da ich die Gegend ein bisschen kenne, ist der Schaden gering, irgendwann schaltet man halt das Gerät aus und fährt ohne es weiter. Wenn einem allerdings noch auf einer Seitenstraße ein Trauerzug entgegenkommt (das ist tatsächlich wahr!), fragt man sich trotzdem manchmal, ob man – wie man so sagt – im falschen Film ist.
Irgendwann nach 18 Uhr war ich jedenfalls im Hotel Przystań nad Sołą in Bielany, habe noch einen ausgedehnten Spaziergang gemacht und dann sehr gut zu Abend gegessen. Sehr interessant fand ich, dass an zwei Nebentischen tschechische Familien saßen, offenbar ist diese Gegend für Tschechen als Urlaubsort interessant. Tymoteusz Król aus Wilamowice, mit dem ich mich am nächsten Tag traf, meinte, das sei ihm auch schon aufgefallen, das sei ein neuer Trend. Ob der Trend mit gewachsenem Interesse am Nachbarland oder mit den Preisen zusammenhängt, bleibt freilich unklar.
Bardo / Wartha
Bielany
Vielen Dank für diesen Bericht über die Weiterreise durch – auch uns – gut bekannte Gefilde inklusive Wallfahrtabstecher. Was die Urlaubsvorlieben angeht, so war übrigens auch mein Schwager mit seiner Familie heuer in Polen. Einerseits gab es spezielle Werbung, andererseits – und das ist wohl der Hauptgrund – war es einfach kostengünstiger auf der polnischen Seite der Grenze Quartier zu beziehen. Da es in Kroatien immer teurer wird, die Temperaturen im Norden mittlerweile auch sehr sommerlich sind, fahren mittlerweile auch viele ins Ermland, zur Masurischen Seenplatte oder ins Baltikum. Aber nun zum Feiertagsmahl, Dir noch ein schönes Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel und herzliche Grüße!