Auch dieser Bericht wird kurz, ja noch deutlich kürzer als der gestrige. Dann ich bin – nach einem gescheiterten Versuch, noch einmal die Kathedrale zu besichtigen – direkt von Płock nach Supraśl gefahren und habe in Supraśl auch nicht mehr viel unternommen.
Die Kathedrale wollte ich noch einmal besichtigen, in der Hoffnung, dann vielleicht die Bronzetüren zu finden. Ich bin aber nicht zu Fuß in die Altstadt gelaufen, sondern mit dem Auto gefahren, weil ich ja danach schnell weiterfahren wollte. Ich fand auch schnell einen Parkplatz in der Nähe der Kirche, bei dem mich am meisten beeindruckt hat, dass Inhaber_innen der Płockarta eine halbe Stunde lang kostenlos parken dürfen. Das stand auch auf Deutsch und Englisch da, ich frage mich aber ernsthaft, wie viele Menschen eine solche Vorteilskarte haben und gleichzeitig kein Polnisch können.
Dass ich das Auto benutzt hatte, war eine weise Entscheidung, denn in der Kathedrale fand ein Gottesdienst statt, der sich ganz offenkundig nicht dem Ende zuneigte. Es kamen zwar mehrfach Leute aus der Kirche heraus, aber das war kein Zeichen für ein baldiges Ende. So bin ich nach einer Viertelstunde weitergefahren, in Richtung Supraśl.
Hier ist der Ort, wo ich erklären möchte, warum ich ausgerechnet in diesen kleinen Ort nördlich von Białystok gefahren bin. Tatsächlich will ich die Gegend um Białystok erkunden, wo ich bisher nur einmal kurz war, ich wollte aber nicht so gerne ein Hotel in Białystok selbst suchen, weil ich Hotels in kleineren Städten bevorzuge. Und da fiel mir wieder ein, wie ich im August 2017 von Suwałki aus nach Süden gefahren bin und kurz vor Białystok auf einmal eine orthodoxe Kirche sah, mit dem Ortsschild Supraśl. Da musste ich sofort an den Codex Suprasliensis denken, den umfangreichsten altkirchenslavischen Kodex in kyrillischer Schrift, der die Menäen für den Monat März enthält. Den Codex Suprasliensis kannte ich schon aus meiner Studienzeit, in München habe ich selbst in der Veranstaltung „Altkirchenslavisch II“ Stücke daraus gelesen. Mir war auch die Auffindungsgeschichte bekannt. Den Codex hat 1823 Michał Bobrowski gefunden, der die ersten 118 Blätter an Jernej Kopitar nach Wien schickte, der sie begutachten sollte. Als Kopitar starb, wurden sie aber nicht zurückgegeben und befinden sich heute in Ljubljana. Der Rest der Handschrift ist nach einigem Hin und Her heute in Warschau.
2017 hatte ich nicht die Zeit, mir Supraśl anzuschauen, aber das will ich in diesem Jahr nachholen. Also habe ich mir hier ein Hotel gebucht und bin gestern hierher gefahren. Von der Fahrt gibt es nicht viel zu berichten, außer vielleicht der Beobachtung, dass ich die letzten 70 km auf der Autobahn S7 fuhr, die überfüllt war mit litauischen Lastwagen. Ich bin hier also nicht nur in der Nähe der belarussischen Grenze, sondern auch relativ nahe an Litauen. Das ich aber ebensowenig besuchen werde wie Belarus…
Supraśl ist ein relativ kleiner Ort, den das Kloster völlig dominiert. Es ist auch von meinem Hotel aus zu sehen. Gestern habe ich nur einen längeren Spaziergang rund um das Kloster gemacht, heute will ich besichtigen und bin gespannt, was mich erwartet. Das Kloster wird nämlich tatsächlich von Mönchen bewohnt, außerdem gibt es zwei Museen (eines mit Ikonen, einer über die Buchdruckerkunst – Supraśl war im 18. Jahrhundert ein Zentrum des Buchdrucks). Dabei ist das Kloster erst seit 1980 wieder orthodox… Es wurde zwar 1501 als orthodoxes Kloster gegründet, war dann aber ab der Kirchenunion griechisch-katholisch. 1824 wurde das Kloster von der russischen Besatzungsmacht geschlossen und für andere Zwecke verwendet (vor allem Manufakturen). Nach der Unabhängigkeit Polens zogen hier katholische Salesianermönche ein, die 1939 von den Sowjets vertrieben wurden. Nach dem Krieg bekamen sie das Kloster nur kurz zurück, dann diente es wieder anderen Zwecken und wurde 1980 der Polnisch-Orthodoxen Kirche übergeben.
Ich bin gespannt, welche Narrative ich beim Besuch des Klosters kennenlernen werde…
Willkommen in Supraśl und eine schöne Kloster- bzw. Museen-Besichtigung! Sehr schön. Ich werde erst nächsten Sommer ganz in der Nähe in Białystok sein. Dort wird ja die nächste Jahrestagung der Matthias-Kramer-Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte des Fremdsprachenerwerbs und der Mehrsprachigkeit zum Thema „Mehrsprachigkeit im Schulwesen der Frühen Neuzeit“ stattfinden, und zwar vom 27. bis zum 29. 7. 2022. Zur Ankündigung: https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/ggeo_lehrstuehle/neuere_geschichte/Dateien/Mehrsprachigkeit_2022.pdf
Für die Erforschung der Mehrsprachigkeit in Białystok und Supraśl seid Ihr aber reichlich spät dran! Heute gibt es allenfalls noch eine belarussische Minderheit, die aber völlig unsichtbar ist, und die Tataren sind längst sprachlich assimiliert. Das war bis 1939/45 anders, da gab es sowohl eine jüdische wie auch eine deutsche Minderheit, mit eigenen Institutionen.
Erstens geht es ja um die Frühe Neuzeit, zweitens findet die Konferenz hier statt, weil wir eine Kooperation mit der Universität Białystok haben, die bei der letzten Ausschüttung Unsummen für internationale Beziehungen bekam, weshalb wir nun jede Menge Konferenzen vor Ort, aber auch vice versa veranstalten, um deren Kosten wir uns nicht Sorgen müssen.