Tilman Bergers Blog

11. August 2019: Moldova nad Bodvou – Jasov – Hídvégardó – Bodvaszilas

Ich hatte am vorhergehenden Abend doch noch den Termin der evangelischen Gottesdienstes finden können, auf der (ungarischen) Homepage der Gemeinde steht, dass die Gottesdienste um 10:30 beginnen. Deshalb habe ich relativ spät gefrühstückt und habe noch einmal die ungarische Großfamilie genossen, die sich dann auf ein ungarisches und ein slowakisches Auto verteilte und davonfuhr. Und ich bin um 10:15 zur reformierten Kirche auf dem Hauptplatz aufgebrochen, die nun auch wirklich geöffnet war. Ich ging hinein und setzte mich in eine der hinteren Reihen, war aber etwas erstaunt, dass ich erst der sechste Besucher war. Und dann konnte ich die Kirche und das Geschehen in Ruhe genießen.

Die Kirche ist quadratisch und völlig schmucklos. Auf der einen Seite stehen ein Altar und hinter ihm eine Kanzel, auf die mehrere Bankreihen ausgerichtet sind, an den Seiten sind aber weitere Bankreihen, die quer stehen. Man merkt auch, dass es da ursprünglich eine Aufteilung auf Männer und Frauen gegeben hat, denn an der einen Querseite saßen nur Männer, überall sonst aber Männer und Frauen (ich gebe zu, dieses Prinzip war eigentlich erst erkennbar, als sich die Kirche später füllte). Auf den meisten Plätzen lagen Gesangbücher, und ich setzte mich natürlich an einen solchen Platz. Erst deutlich später habe ich gemerkt, dass im Gesangbuch ein Besitzvermerkt war, und zwar von irgendeinem Árpád. Ich habe lange gezittert, ob er womöglich kommt, aber da ist zum Glück nichts passiert.

Auf dem Altar stand Blumenschmuck und ein Taufgeschirr, vor dem Altar vier Stühle, offenbar für die Tauffamilie. Das alles wurde von einer Frau und einem Mann, in denen ich Kirchendiener vermutete, liebevoll hergerichtet, mehrfach geändert usw. Und allmählich füllte sich die Kirche, allerdings war sie erst gegen 11 Uhr wirklich voll, ich war also eine halbe Stunde zu früh gekommen. Um 11 Uhr war die Kirche dann sehr gut gefüllt (mehr als 100 Leute), alle waren festlich gekleidet, die Männer alle mit weißem Hemd, sodass ich mir im hellblauen Hemd fast komisch vorkam. Erst ganz am Schluss kam auch noch ein weiterer Mann, der ein hellblaues Hemd anhatte. Alle saßen still, es fehlt eigentlich nur noch der Pfarrer. Ich habe schon überlegt, ob es eigentlich (wie bei den russischen Altgläubigen) auch „popenlose“ Kalvinisten gibt, aber dann kam (11 Uhr war schon vorbei) doch noch der Pfarrer, und zwar der vermeintliche Kirchendiener.

Der Gottesdienst war, soweit ich überhaupt etwas verstanden habe, sehr schön, aber ungewöhnlich aufgebaut. Er begann mit der Taufe, zu der auch eine sehr lange Taufansprache gehörte, in der der Pfarrer den Namen des kleinen Mädchens, das nämlich Emma heißt, in Zusammenhang mit Immanuel gebracht hat (das erscheint mir etymologisch leicht fragwürdig, aber wer weiß, vielleicht hat er darauf ja selbst hingewiesen). Nach der Taufe bestieg der Pfarrer die Kanzel, las einen sehr langen Predigttext und setzte dann erstmal von der Kanzel die Liturgie fort (mit Lied und Gebet), bevor er zur Predigt kam. Von der habe ich natürlich besonders wenig verstanden, eigentlich nur dass es um den Hl. István ging, der bekanntlich nur in der Apostelgeschichte vorkommt. Und dann stieg der Pfarrer wieder von der Kanzel, es gab Fürbittengebete und der Gottesdienst war vorbei. Die Lieder habe ich eifrig mitgesungen und meistens relativ gut verstanden (es sind allerdings alles Übersetzungen von Liedern gewesen, die auch im deutschen Kirchengesangbuch stehen), das Glaubensbekenntnis hatte ich mir vorher schon herausgesucht, bin aber beim Mitsprechen nicht mitgekommen, weil das so rasend schnell ging. Und beim Vaterunser habe ich versagt, das konnte ich so schnell nicht finden (bzw. es stand möglicherweise gar nicht im Gesangbuch, weil alles es auswendig können). Angesprochen wurde ich nicht, es gab offenbar auch kein Beisammensein nach dem Gottesdienst, so ging ich wieder ins Hotel, um dann bald nach Jasov aufzubrechen.

Jasov ist nur etwa 7 km von Moldava entfernt, dort befindet sich ein berühmtes Prämonstratenserkloster und eine Höhle, die man beide besichtigen kann (in den neunziger Jahren war ich nur in der Höhle, weil das Kloster gerade erst an den Orden zurückgegeben worden war und noch nicht besichtigt werden konnte). Ich fuhr erstmal zum Kloster, das wirklich schon von außen beeindruckend ist, musste aber feststellen, dass dort nur von Dienstag bis Samstag geöffnet ist. Meine Besichtigung musste ich also verschieben.

Als ich dann zum Auto zurückging, um zur Höhle zu fahren, stürzte sich ein kleiner Romajunge auf mich, der mir Pilze verkaufen wollte. Die Pilze schauten wirklich schön aus (es waren wohl überwiegend Steinpilze), aber es war nicht einfach, ihm zu erklären, dass ich hier auf Urlaub bin und gar nicht weiß, was ich mit den Pilzen anfangen soll… Dann meinte er, ob ich ihm wenigstens 20 Cent für ein Eis geben kann, das wollte ich gerne tun und zückte meinen Geldbeutel. Darauf schoss aus dem Hintergrund der nächste kleine Junge, offensichtlich der Bruder, der bekam aber nur 10 Cent, weil ich kein anderes Kleingeld mehr hatte. Die zwei fühlten sich dann aber wieder ermutigt und haben mir angeboten, mir auch den Eimer zu verkaufen, Pilze und Eimer sollten nur 10 Euro kosten. Wahrscheinlich hätte ich damit kein schlechtes Geschäft gemacht, aber das grundlegende Problem galt ja weiter. Irgendwann ließ ich die beiden stehen und fuhr los. Ich habe mir aber überlegt, ob man nicht den Roma nahelegen könnte, lieber eingelegte Pilze zu verkaufen (so wie ich das in Zakopane mehrfach gesehen habe), damit wären sie erfolgreicher.

Ich parkte dann etwa 200 m von der Höhle und ging zum Eingang, wo schon relativ viele Leute warteten. Um 14 Uhr sollte eine Führung auf Slowakisch stattfinden, an der habe ich dann auch teilgenommen. Ziemlich interessant fand ich das Angebot am Eingang, sich über einen QR-Code den Text der Führung auf Englisch, Deutsch, Ungarisch, Polnisch oder Russisch herunterzuladen, davon habe ich aber nicht Gebrauch gemacht.

Die Führung war etwas lieblos, was aber damit zusammenhing, dass die Führerin genervt war, es waren 43 Leute, und vor allem die Kinder konnten nicht stillhalten. So musste die Führerin fast schreien, wurde oft unterbrochen usw. Die Höhle ist eindrucksvoll, mit vielen Steinformationen, mich interessierte natürlich (wie schon beim ersten Besuch) eine alttschechische Inschrift, die flüchtige Soldaten dort im Jahr 1452 angebracht haben und die an die Schlacht von Lučenec erinnert, in der die sog. bratříci (ehemalige Hussiten, die es in die Slowakei verschlagen hatte, den Statthalter Johann Hunyadi geschlagen hatten. Die Führerin sagte, die Inschrift sei „starosloviensky“, aber altkirchenslawisch ist sie nun wirklich nicht. Wahrscheinlich meinte sie „altslowakisch“, vielleicht um nicht alttschechisch sagen zu müssen. – In der Höhle habe ich übrigens nicht fotografiert (die Gebühr war mir zu hoch), daher gibt es hier nur Außenaufnahmen.

 

 

 

 

Danach habe ich noch einen kleinen Ausflug nach Ungarn unternommen. Ich fuhr durch kleine Dörfer (z.B. noch einmal durch Peder) und kam dann zu einer etwas merkwürdigen Stelle, wo mitten auf dem Feld ein Tor mit dem slowakischen Stadtssymbol steht und wo sich die Straße teilt. Und auf beiden Seiten ist man sehr schnell in Ungarn. Ich war erst in dem Dorf Hídvégardó, wo es vor der Kirche einen Geschichtslehrpfad gibt (natürlich ausschließlich mit ungarischen Texten, wo kämen wir da hin, wenn das noch in Fremdsprachen angebracht würde), dann bin ich etwas herumgefahren und war zuletzt an der reformierten Kirche des Dorfs Bodvaszilas, vor der ein Denkmal mit einem Ausschnitt aus dem Vaterunser steht.

Die Straßen war leer, es waren auch fast nie Menschen unterwegs, lediglich in einem Dorf gab es einen Badeteich, in dem viele fröhliche Kinder plätscherten, und als ich weiterfuhr, kamen mit im Dorf weitere junge Leute entgegen, die offenbar auf dem Weg zum Teich waren. Die konnte ich aber schlecht fotografieren… Gespräche habe ich keine geführt, und selbst die Absicht, mir schon ungarisches Geld zu beschaffen, scheiterte, weil es nirgends Geldautomaten gab (und auch keine Banken).

 

 

 

 

Den Abend habe ich dann wieder in dem wirklich sehr guten Restaurant Ferdinand verbracht und mich auch entschlossen, statt Bier mal Wein zu trinken, wenn man schon in einer Weingegend ist. Der „graue Ruländer“ (auf Deutsch heißt er offenbar Grauburgunder, auf Französisch Pinot gris) war dann auch wirklich sehr gut.

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