11. August 2023: Ein Tag in Pabianice

(Die Fotos kommen erst später, im Moment kann ich sie nicht hochladen!)

Der Bericht über diesen Tag wird etwas kürzer ausfallen, weil ich erst am Nachmittag etwas unternommen habe. Denn am Vormittag war ich damit beschäftigt, einen längst überfälligen Artikel für das Bulletin der deutschen Slavistik abzufassen. Der allerletzte Tag, an dem ich ihn hätte abgeben können, war der 12. August. Da wollte ich doch wenigstens einen Tag früher fertig sein und habe das auch geschafft, in einer sehr beschaulichen und erholsamen Umgebung, nämlich auf einer Bank im Garten des Hotels, unter einem Baum sitzend.

Erst kurz vor 14 Uhr bin ich aufgebrochen, wieder vorbei an dem zur Kirchen gewordenen Hotel, um mir Pabianice ein bisschen genauer anzuschauen. Denn auch wenn beispielsweise in der deutschen Wikipedia steht, die Stadt sei touristisch kaum interessant, gibt es schon ein paar Sehenswürdigkeiten, so eine katholische Kirche aus dem 16. Jahrhundert und eine evangelische Kirche von 1832, außerdem einen Turm, der wie der Rest einer Festung aussieht und in dem sich das städtische Museum befindet.

Zunächst bin ich aber einfach in der Innenstadt herumgelaufen und habe auch noch alte niedrige Häuser gefunden, die vermutlich die primäre Bebauung darstellen. Ich habe die Straßenbahnhaltestelle besucht, an der offenbar eine Straßenbahn nach Łódź fährt, habe mich aber nicht entschließen können einzusteigen, weil mir weder klar war, wo man eine Fahrkarte bekommt, noch, ob die Straßenbahn wirklich bis Łódź fährt oder man mehrfach umsteigen muss. Im Nachhinein habe ich das bereut, aber ich bitte zu bedenken, dass inzwischen schon die Mittagshitze eingesetzt hatte, in der man nicht mehr richtig denken kann.

Dann habe ich die Kirche besucht, die aus dem 16. Jahrhundert sein soll, man sieht es ihr leider nicht richtig an. Und viel interessanter als die Kirchen waren die zahlreichen Denkmäler um sie herum – der heilige Papst durfte natürlich auch nicht fehlen. Ich war auch bei der evangelischen Kirche, die aber verschlossen war. Zwei Tage später habe ich dort einen Sonntagsgottesdienst besucht.

Schließlich habe ich mich entschlossen, das Museum zu besuchen, und das war wirklich ein großes Erlebnis, allerdings der besonderen Art. Erst fing alles gut an, ich musste keinen Eintritt zahlen, weil freitags der Eintritt immer frei sei. Und dann führte mich ein älterer Herr in den ersten Raum, wo es eine Ausstellung zur Geschichte der Medizin in Danzig / Gdańsk gab. Leicht befremdet machte ich mich daran, sie zu besichtigen, da kam der Herr wieder und bot mir an, einen Film anzuschauen. Der war freilich zum gleichen Thema, aber wenigstens nicht besonders lang. Kurz vor Ende des Films kam der Herr wieder und wollte wissen, ob ich auch den Film über den jüdischen Friedhof von Pabianice anschauen wollte. Das habe ich bejaht und wieder überrascht: der Film war nämlich ohne Worte, nur Bilder und Musik. Und noch kürzer als der vorhergehende.

Nach dem Film kam der Herr wieder zu mir und bat mich in den nächsten Raum. Und dann begann er zu reden und hörte erst nach anderthalb Stunden wieder auf. Leider habe ich ihn auch nur ziemlich schwer verstanden, und bis zum Schluss blieb mir unklar, ob er nur undeutlich redete (das auf jeden Fall) oder auch noch mit anspruchsvollem Vokabular. Ein wenig gemildert wurde die Sache nur dadurch, dass wenige Minuten später auch noch zwei junge Männer ins Museum kamen, die er einlud mitzukommen.

Die Führung durch das Museum hatte gewissermaßen zwei Ebenen, nämlich eine Faktenebene und eine anekdotische. Was die Fakten angeht, so erzählte er uns erst die Geschichte des Gebäudes, das ursprünglich ein Hof des Krakauer Domkapitels war, und besichtigte dann mit uns alle Stockwerke (wo vor allem Gemälde ausgestellt sind) und den Keller (derzeit nicht genutzt). Dann ging es noch in ein Nebengebäude, wo eine Wohnung im Stil der Siebzigerjahre eingerichtet ist – dort wurden die jungen Männer viel lebhafter und es ergab sich sogar ein interessantes Gespräch.

Die anekdotische Ebene war aber viel interessanter als die Exponate. Es fing damit an, dass der Herr (bei dem es sich vermutlich um den früheren Museumsdirektor handelte) von einem Geistlichen redete, der den Besitz des Krakauer Erzbischofs in Pabianice verwaltete und hierher versetzt worden war, weil er Beziehungen zu Frauen hatte. Dies kommentierte er mit den Worten, dass man eine ähnliche Vorgehensweise heute ja auch kenne. Und dann erzählt er uns über den 1946 in Pabianice verstorbenen Maler Bolesław Nawrocki, er sei der Hofmaler der italienischen Könige gewesen und sei aus dem KZ freigelassen worden, nachdem Mussolini wütend bei Hitler angerufen hätte. Beide Geschichten konnte ich auf die Schnelle nicht im Internet finden, wahrscheinlich hat er sie sich ausgedacht. Dann sprach er über die jüdische Bevölkerung von Pabianice, fing zwar damit an, dass die Juden nicht freiwillig im Zinsgeschäft tätig wurden, sondern dass der Staat sie faktisch gezwungen hat, aber es folgten alle möglichen „lustigen“ Bemerkungen, die sich zum Glück meistens nicht verstanden (und von denen ich mir nichts gemerkt habe).

Den größten Raum in der Erzählung nahmen aber die Deutschen von Pabianice ein, die sehr schlecht wegkamen. Von ihrer Ansiedlung und ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten war nicht die Rede, sondern sie tauchten erst im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg auf und natürlich als Besatzer im Zweiten Weltkrieg. Über sie – er sprach übrigens immer von folksdojcze – wusste er nur das Schlimmste zu berichten. Und der Höhepunkt war dann der, dass er uns vom Fenster aus eine Reihe von Rosenbeeten zeigte, unter denen die bei der Befreiung von Pabianice getöteten Volksdeutschen begraben seien. Ich habe mich gefragt, ob er eigentlich gemerkt hat, dass ich Ausländer bin, aber wahrscheinlich nicht. Er redete ja ununterbrochen selbst und wollte gar nicht kommunizieren, jedenfalls nicht mit mir.

Als wir vom Nebengebäude zum Turm zurückgingen, habe ich mich verabschiedet, obwohl er gerade angeboten hatte, noch mehr über die Geschichte von Pabianice zu berichten. Ich bin dann noch länger herumgelaufen und habe dann in einem indischen Restaurant zu Abend gegessen (ja, auch so etwas gibt es in Pabianice). Der Rückweg ins Hotel gestaltete sich dann aber sehr lang, weil ich mich zeitweise verlaufen habe. Aber wenigstens konnte ich noch mehr Teile von Pabianice kennenlernen.

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