Auch der Ausflug am 12. August ist nicht ganz so prächtig ausgefallen, wie ich mir das ursprünglich vorgestellt hatte. Dieses Mal lag es aber eher an der Hitze… Am Morgen habe ich wieder ein bisschen gearbeitet und bin dann am mittleren Vormittag nach Zelów gefahren, in das Zentrum der tschechischen Minderheit in Polen, bzw. eher das ehemalige Zentrum. Dort war ich schon einmal im Jahr 2008 und habe in der Nähe der evangelischen Kirche tatsächlich zwei Tschechen angetroffen, Vater und Sohn, die beide völlig normales Tschechisch sprachen. Ich war darüber leicht verwundert, aber die Erklärung war ganz einfach. Der Vater handelte mit irgendetwas, was er aus Tschechien importierte (vermutlich mit Bier, aber genau weiß ich es nicht mehr). Und der Sohn machte eine Lehre in Tschechien und war nur zu Besuch.
Dieses Mal empfand ich Zelów eher als abweisend. Die Stadt schaute ganz anders aus, als es mir meine spärlichen Erinnerungen nahegelegt hatten. So hatte ich ziemlich weit von der evangelischen Kirche entfernt geparkt, an einem Denkmal für Tadeusz Kościuszko, und die erste Kirche, die ich erblickt habe, war natürlich die katholische. Der man sofort ansah, dass sie erst 1926 gebaut wurde, aber dafür hat sie ein hübsches Denkmal des polnischen Papstes.
Zur evangelischen Kirche musste man ein Stück laufen, daher habe ich den Besuch dort noch verschoben und habe mich erstmal auf den reformierten Friedhof von Zelów begeben. Zelów ist nämlich heute auch das Zentrum der Reformierten Kirche Polens und Sitz von deren Bischof. Was wiederum damit zusammenhängt, dass die tschechischen Zuwanderer, die übrigens erst 1802 gekommen sind, Reformierte waren. Interessant ist auch noch, dass es in Tschechien selbst keine Reformierten mehr gibt, die haben sich nämlich 1918 mit den Lutheranern zur Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder zusammengeschlossen.
Auf dem reformierten Friedhof habe ich eine Vielzahl von tschechischen Gräbern gefunden, telweie noch in der Originalorthografie, teils schon in polnischer Schreibung. Der häufigste Name war Pospíšil bzw. Pospiszył, aber es gab auch die Familien Kulhavý, Matys und Dedecjus (sic!). Später hat mir eine tschechische Bekannte aus Tübingen geschrieben, dass dort ihre Urgroßeltern begraben sind – dieses Grab habe ich aber leider nicht gesehen.
Vom Friedhof bin ich dann wieder in die Stadt zurück und vorbei an der katholischen Kirche und einer Baptistenkirche zur evangelischen bzw. reformierten Kirche, die 1828 erbaut wurde. Die Kirche war leider geschlossen, aber ich habe wenigstens eine Inschrift mit einem Vers aus dem Galaterbrief in altertümlichen Tschechisch genossen.
Dann hätte ich gerne zu Mittag gegessen, aber das war in Zelów leider nicht möglich. Vor der ersten Gaststätte, die ich mir herausgesucht hatte, stand zwar die einladende Figur eines Kochs und drinnen waren die Tische gedeckt, aber offenbar für eine geschlossene Gesellschaft. Als die Kellnerin mir sagte, ich sollte am Mittwoch wiederkommen (es war Samstag!), wurde ich etwas unhöflich, was aber nichts bewirkt hat. Dann war ich noch in einer Pizzeria, die gähnend leer war und wo mich die Kellnerin fragte, was ich denn ömchte. Ich meinte, ich wollte ein Mittagessen, worauf sie antwortete, Mittagessen hätten sie nicht. Leicht verwirrt fragte ich, ob ein Pizza denn kein Mittagessen sei, und erfuhr darauf, dass ich auf eine Pizza eine Stunde warten müsse. Da habe ich den ungastlichen Ort lieber verlassen und bin mit dem Auto in Richtung Łódź gefahren.
Auch in Łódź war ich im Jahr 2008 schon einmal, aber nur sehr kurz. Damals habe ich nach Spuren des jüdischen Ghettos gesucht, die aber nur schwer zu finden waren, und ansonsten erinnere ich mich nur an einen Platz, an dem eine orthodoxe Kirche stand. Dieses Mal bin ich mit dem Auto bis ins Stadtzentrum gefahren und habe eine Stelle gesucht, wo man parken darf – das war erstaunlich einfach, auch weil ich an einem Samstag war. Ich habe dann in der Nähe des Freiheitsplatzes (Plac Wolności) geparkt, der zur Zeit leider eine Baustelle ist. In der Mitte thront eine Statue von Tadeusz Kościuszko, an den Seiten steht u. a. eine Kirche von 1828, damals gebaut für die Evangelischen, heute aber im Besitz der katholischen Kirche (die sie im Jahr 1945 besetzt und 1989 ehrlich gekauft hat).
Vom Freiheitsplatz aus habe ich dann einen langen Spaziergang durch die Stadt gemacht und vor allem die prachtvolle Ulica Piotrkowska genossen, die von vielen schönen Gebäuden vom Ende des 19. Jahrhunderts gesäumt ist. Ganz am Anfang ist eine Gedenktafel zu finden, die an die Erteilung der Stadtrecht im Jahr 1423 erinnert und die Inschrift Ex navicula navis trägt. Sie spielt damit, dass łódź ein altes Wort für Schiff ist, und bezieht sich darauf, dass aus dem kleinen Schifflein von 1423 später ein großes Schiff geworden ist.Irgendwo in der Innenstadt habe ich eine Kleinigkeit gegessen und bin dann weiter herumgelaufen. Zu weitergehenden Besichtigungen (etwa eine Museums) konnte ich mich aber nicht entschließen. Mir war dann auch klar geworden, dass der Samstag kein geeigneter Tag ist, um jüdische Gedenkstätten zu besichtigen, also habe ich deren Besuch auf das nächste Mal verschoben, wo ich dann auch unbedingt den großen jüdischen Friedhof aufsuchen möchte.
Mein Spaziergang endete an der orthodoxen Kathedrale, die freilich ganz anders ausschaut, als ich sie in Erinnerung hatte, und die auch nicht an einem Platz liegt. Sie wird gerade renoviert, und die Gottesdienste findet in einer anderen orthodoxen Kirche in der Nähe statt, in die ich kurz hineingegangen bin. Bemerkenswert fand ich hier, dass die Kirche offenbar fest in ukrainischer Hand ist, aber ich weiß nicht, ob das eine Entwicklung des letzten Jahres ist.
Dann bin ich nach Pabianice zurückgefahren, wo ich noch zu Abend gegessen habe, bevor ich früh ins Bett ging.