Dieser Tag war ein Sonntag und so bin ich um 10:30 in den evangelischen Gottesdienst gegangen, der in der schon erwähnte Kirche aus dem Jahr 1832 stattfand. Die Kirche hat einen runden Innenraum, an dessen Stirn der Altar steht. Und die Kanzel befindet sich oben auf dem Altar, eine Konstruktion, die ich in Deutschland noch nicht gesehen habe, die aber in Tschechien und Pole häufiger vorkommt. Ich war gespannt, ob der Pfarrer hinaufsteigen und von oben predigen würde, aber das hat er nicht getan. Er sprach lieber an einem kleinen Pult links vom Altar.
Mit ca. 30 Leuten war der Gottesdienst gut besucht, auch wenn ein Großteil der Plätze leer blieb. Die meisten Besucher_innen war schon etwas älter, aber es war auch ein Schulkind da, das in der Mitte des Gottesdienst in den Kindergottesdienst abgeführt wurde. Ein weiteres Kind hörte man auf der Empore, vielleicht ein Kind der Organistin oder des Organisten. Ich hoffe, das durfte auch am Kindergottesdienst teilnehmen. – Der Gottesdienst folgte ansonsten der üblichen lutherischen Ordnung, die Predigt befasste sich mit der Ankündigung der Zerstörung Jerusalems (Lukas 19:41-48).
Um 11:30 habe ich dann Pabianice verlassen und habe mich in Richtung meines nächsten Ziels, der Stadt Ostrołęka, begeben. Wenn man über Warschau fährt, sind das etwa 270 km, aber weil ich die Großstadt vermeiden wollte, bin ich einen kleinen Umweg gefahren und habe Warschau im Norden umfahren. Das gab mir die Gelegenheit, einen Zwischenstopp in der von mir besonders geschätzten Stadt Płock einzulegen, der ehemaligen Hauptstadt von Masowien, die ich das letzte Mal 2021 besucht habe. Dort angekommen bin ich etwa um 14:30, habe mit etwas Mühe einen Parkplatz gefunden, der nicht so weit vom Stadtzentrum entfernt war, und bis als erstes zur Kathedrale gegangen.
Die Kathedrale von Płock stammt aus dem 12. Jahrhundert, das sieht man ihr freilich nicht mehr wirklich an, weil im Laufe der Jahrhunderte viel verändert und hinzugefügt wurde. Mich haben in Płock immer schon vor allem die Bronzetüren fasziniert, an die sich eine merkwürdige Geschichte knüpft. Diese Türe ist nämlich die Kopie einer Bronzetüre, die sich im russischen Novgorod befindet. Angeblich wurde die Türe im 12. Jahrhundert für Płock produziert, kam aber später auf bisher ungeklärte Weise in die Novgoroder Sophienkathedrale. Die Kopie wurde erst 1981 in Płock aufgestellt.
Außer der Türe habe ich noch ein paar Grabmäler angeschaut, u.a. das von Bolesław III. Schiefmund (er herrschte von 1107 bis 1138). Er ist zusammen mit seinem Vater Władysław I. Herman in einem Sarkophag begraben. Das klingt merkwürdig, kommt aber öfter vor. Beispielsweise liegt auch Mieszko I., während dessen Regierungszeit Polen christianisiert wurde, in der Kathedrale von Poznań / Posen in einem Sarg mit seinem Sohn Bolesław Chrobry. Die Erklärung für diese Bestattungsform dürfte darin liegen, dass man in späteren Zeiten die wenigen Knochen nicht mehr richtig zuordnen konnte…
Anschließend bin ich noch in der Altstadt von Płock herumgelaufen, bis zum sog. „Dom Darmstadt“, dem Haus, in dem von 1802 bis 1804 E.T.A. Hoffmann gelebt hat. Dort habe ich ein verspätetes Mittagessen eingelegt und bin nach 16 Uhr weiter in Richtung Ostrołęka gefahren, quer durch Masowien. Ich habe mich ganz von meinem Navigator leiten lassen und fuhr durch viele kleine Städte, von denen ich noch nie gehört hatte.
Kurz nach 19 Uhr war ich dann in Ostrołęka und habe als erstes festgestellt, dass sich das Hotel ziemlich am Stadtrand befand. Das ist eigentlich ja nicht so schlimm, vor allem wenn es dann dort ruhiger ist (und das traf zu). Allerdings bedeutete es, dass ich abends noch einen längeren Fußmarsch in die Stadt machen musste, um zu Abend essen zu können. Im Hotel gab es am Sonntagabend nichts, da wurde gerade die Reste einer großen Feier vom Vortag beseitigt. Diese Feier war übrigens auch dafür verantwortlich, dass ich drei Nächte in Pabianice übernachtet habe. Die Leitung des Hotels in Ostrołęka hatte sich nämlich bei mir gemeldet und mir von der Nacht von Samstag auf Sonntag abgeraten, weil da eine große Feier stattfinden sollte, übrigens zum 18. Geburtstag einer gewissen Julia (vgl. Bild).