Am zweiten Tag meiner Reise bin ich schnell aufgebrochen und habe alle Sehenswürdigkeiten von Humpolec ignoriert, deren es laut Wikipedia doch eine ganze Reihe gibt, inklusive eines Gedenksteins für einen fiktiven Filmhelden, auf den mich ein freundlicher Leser dieses Blogs noch hingewiesen hat – freilich zu spät. Ich bin statt dessen schnell auf die Autobahn in Richtung Brünn gefahren. Zunächst verlief die Fahrt gut, dann machten mir aber die Bauarbeiten zu schaffen, von denen die tschechische Presse seit Monaten berichtet. An insgesamt drei Stellen meiner Strecke ist eine Spur der Autobahn gesperrt, auf der anderen Spur laufen aber nicht etwa zwei Spuren nebeneinander, sondern vier – mit dem Effekt, dass die Überholspur so schmal ist, dass man sie besser nicht benutzt. Auch die Beschilderung lässt zu wünschen übrig, mit dem Effekt, dass ich aus Versehen bei Jihlava/Iglau die Autobahn verlassen habe. Das war dann ein Umweg von über 30 km, denn ich musste erst ein langes Stück auf dem Autobahnzubringer Richtung Jihlava und zurück fahren, und dann eine Umleitung, die darin bestand, dass ich noch einmal 10 km Richtung Prag (bzw. Humpolec) zurückfahren durfte, bis ich wieder auf die Autobahn nach Brünn kam.
Brünn habe ich dann ebenso wie Humpolec links liegen lassen – dorthin traue ich mich zur Zeit nicht, weil ich dort Artikel für eine Enzyklopädie abgeben müsste, die noch nicht fertig sind (vermutlich werde ich auch schon steckbrieflich gesucht).
Stattdessen fuhr ich zügig bis Velehrad weiter – die dortige Wallfahrtskirche wollte ich nach vielen Jahren endlich mal wieder besuchen. Ich brauche auch wieder Exemplare der Postkarte von Kyrill und Method, die ich in frühen Jahren regelmäßig verschickt habe. Die Postkarte habe ich auch gleich in mehreren Exemplaren erworben, das Bild in der Kirche aber merkwürdigerweise nicht finden können. Das mag daran liegen, dass das Gedächtnis der beiden Slavenapostel in neuerer Zeit etwas gedämpfter gepflegt wird, seit archäologische Forschungen ergeben haben, dass das Kloster nicht bis in die großmährische Epoche zurückreicht. In einer Säulenhalle (die
vielleicht auch neu ist, ich kann mich jedenfalls nicht an sie erinnern) stehen sie aber noch in der Mitte zwischen vier anderen Aposteln, sozusagen als Oberapostel… Aber auch ohne großmährische Vorfahren sind Kloster und Kirche sehr beeindruckend, wobei inzwischen auch das Kloster stärker hervortritt, wo es seit 2004 auch wieder ein Gymnasium gibt.
Eine besondere neue Sehenswürdigkeit ist der Sarkophag von Kardinal Tomáš Špidlík (1919-2010). Dieser katholische Jesuit wurde 1950 zum Studium nach Italien geschickt, wo er sein ganzes
Leben lang blieb, als Professor an der Gregoriana und als Leiter
der tschechischen Abteilung von Radio Vatikan. 2003 wurde er zum Kardinal ernannt, ließ sich aber nicht mehr zum Bischof weihen. An einem Konklave konnte er wegen seines hohen Alters ohnehin nicht mehr teilnehmen. Nach seinem Tod wurde er in der Kirche von Velehrad hinter dem Alter in einem bunten Marmorsarkophag beigesetzt, zu dem man auch eine Broschüre des Künstlers erwerben kann (der ebenfalls dem Jesuitenorden angehört). Das Foto stammt aus der Broschüre, weil man in der Kirche nicht fotografieren darf.
Dann ging es weiter in Richtung Grenze. Um noch etwas tschechisches Geld auszugeben, habe ich beim Motorest Rasová Halt gemacht und dort eine mährisch Kohlsuppe und süße Knödel mit Aprikosen gegeben – vorzüglich. Die Gaststätte war voll, aber nur mit Tschechinnen und Tschechen. Und auf dem Weg zur Grenze bei Starý Hrozenkov habe ich kaum noch andere Autos getroffen. Ich war ja gespannt, wie die ehemalige Grenzstation aussieht, an der ich nach 1993 mehrfach richtig kontrolliert wurde – aber es scheint sie nicht mehr zu geben. Dass hier die Grenze ist, sieht man nur noch an dem Schild „Slovenská republika“ – in den Farben der Europäischen Union. Wirklich eine sehr erfreuliche Entwicklung, auch wenn das hier ja eigentlich eine der ältesten Grenzen Europas ist (nämlich die zwischen dem Heiligen Römischen Reich und Ungarn, etwa ab dem 11. Jahrhundert).
Auf der slowakischen Seite bin ich dann wieder zügig gefahren, vorbei an Trenčín (wo ich freilich schon sehr oft war) durch Partizánske, Bánove nad Bebravou und Prievidza, lauter Städte, die man ruhig auch anschauen könnte und noch nie anschaut. In Partizánske war ich das erste Mal und war ganz neugierig, wie das vorher geheißen hat. Dann war ich doch enttäuscht, denn ich hatte etwas wie Niemčany o.Ä. erwartet, die Stadt wurde aber überhaupt erst 1938 gegründet, hieß damals Šimonovany, dann kurz Baťovany (nach Baťa!) und seit 1949 Partizánske.
Nach Prievidza ging es hinauf ins Gebirge, zum Teil sehr steil und mit schönen Ortsnamen, die an den Bergbau erinnern, etwa Horné Hámre. Ansonsten ist das Gebiet aber kaum besiedelt und sehr waldig. Ja, und mitten im Wald wurde ich dann auf einmal von einer Polizeikontrolle angehalten. Zwei Polizisten hielten jedes Auto an und kontrollierten. Mich sprach der Polizist auf Deutsch an, ich habe aber gleich gesagt, dass ich Tschechisch kann, eigentlich schade, mich hätte im Nachhinein schon interessiert, wie die Kontrolle auf Deutsch verlaufen wäre. Er wollte den Führerschein und die Autopapiere sehen, dann den Personalausweis, alles kein Problem. Ja, und dann wollte er einen Nachweis, dass das Auto versichert ist – den habe ich nicht, seit die grüne Versicherungskarte abgeschafft wurde. Er meinte, dass man die wirklich braucht, dass er mich aber noch einmal ohne die davonkommen lässt. Dann hat er mich noch darauf aufmerksam gemacht, dass eine Radkappe locker ist, und gleich auch geraten, ich solle sie durch Dagegentreten wieder befestigen, und dann war alles vorbei. Etwas rätselhaft fand ich die Kontrolle schon und frage mich im Nachhinein, ob sie jemanden gesucht haben. Aber das mit der Versicherung stimmt sogar wirklich, wie ich mich gerade im Internet kundig gemacht habe. Dann muss ich also meine Versicherung frage, wie man ihre Existenz nachweist.
Ja, und dann näherte ich mich wirklich Banská Štiavnica (deutsch Schemnitz). Den ganzen Weg über rätsle ich, wie oft ich hier schon war. Ganz sicher war ich 1993 oder 1994, noch ohne Auto, spätere Aufenthalte sind wie weggeweht, wurden mir aber inzwischen von damaligen Mitreisenden ins Gedächtnis gerufen bzw. sind mir selbst wieder eingefallen. Die Stadt hat sich allerdings sehr verändert, es gibt jetzt eine Hauptstraße, die von Restaurants und Cafés gesäumt ist – das war sicher vor zwanzig Jahren noch nicht so. Abgestiegen bin ich im Hotel Salamander (der Name verpflichtet!), aber ich habe auch die Pension wiedergefunden, in der ich bei meinem ersten Aufenthalt gewohnt habe. Und ich freue mich jetzt auf die Besichtigung der vielen Sehenswürdigkeiten, beginnend mit dem Alten Schloss, wo ich noch nie war (es wurde sehr lange restauriert).
Aber ich bin auch gespannt auf das „Berggericht“ (wenigstens nicht Bergergericht).