21. August 2021: Przemyśl – Tarnów – Cieszyn

Am 21. August habe ich mich auf den Rückweg nach Hause gemacht. Allerdings ist völlig ausgeschlossen, dass man in einem Tag von Przemyśl nach Tübingen fährt (es sind ca. 1.300 km). Und außerdem will ich ja auch Pausen machen und unterwegs ein paar Sachen anschauen. Also bin ich an diesem Tag nur bis Cieszyn / Teschen gefahren, gewissermaßen von äußersten Osten Polens in den Südwesten.

Als erstes habe ich aber noch eine Besichtigung nachgeholt. Und zwar war mir am Vortag auf dem Rückweg vom jüdischen Friedhof in die Stadt ein Wegweiser zum deutschen Militärfriedhof aufgefallen, den wollte ich noch besuchen. Wobei ich dazusagen muss, dass ich noch nie auf einem deutschen Militärfriedhof in Mittelosteuropa war (oder schon lange nicht mehr, ganz sicher bin ich mir nicht). Weil der Wegweiser bergauf verwiesen hatte, bin ich lieber mit dem Auto dort hingefahren, und das war auch die richtige Entscheidung. Denn der Friedhof liegt ganz oben auf einem Hügel, an dessen Hang mehrere Friedhöfe sind (und ganz unten der jüdische). Die Straße führt in Serpentinen hinauf, und oben ist ein Parkplatz, von dem man zu mehreren Friedhöfen kommt.

Mir war nicht klar, welcher davon der deutsche Militärfriedhof ist, so fragte ich einen älteren Herrn, der mir bereitwillig Auskunft gab und mir den Eingang zeigte. Auf dem Friedhof gab es links und rechts Rasenflächen, auf denen einzelne Grabmäler standen, deren Inschriften man aber nicht mehr lesen konnte. In der Mitte führte ein Weg zu einem Gedenkstein, der überraschenderweise auch eine ungarische Inschrift trug. Wie sich zeigte, war ich auf den österreichisch-ungarischen Militärfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg geraten… Damals wurde die Festung Przemyśl fast ein halbes Jahr von russischen Truppen belagert und letztlich auch erobert. Dies war die größte Belagerung des Ersten Weltkriegs, mit über 100.000 Toten. Und ich stand an einem wirklich bedrückenden Ort.

Der deutsche Militärfriedhof (am Eingang steht übrigens Militarfriedhof mit a) aus dem Zweiten Weltkrieg war in der Nähe, noch etwas höher am Berg, er ist erkennbar später angelegt worden (1992) und wird auch vom „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ gepflegt. Die Anlage ist im Prinzip ähnlich, mit Rasenfläche und einem zentralen Denkmal, es gibt aber auch eine Reihe von Steinplatten, auf denen die Namen aller dort Begrabenen mit Lebensdaten stehen. Hier sind, wie ich aber erst zu Hause nachgelesen habe, ca. 6.000 Gefallene beerdigt, und es gibt in der Nähe auch ein „Preußisches Mausoleum“ aus dem Ersten Weltkrieg. Das ist mir aber vor Ort nicht aufgefallen.

Etwa um 10:30 habe ich Przemyśl endgültig verlassen. Ich fuhr erst nach Jarosław und dann auf einer Schnellstraße gen Westen, die sich dann bald in eine Autobahn verwandelte, die nach Krakau und von dort dann nach Oberschlesien führt. Man kommt hier auch wirklich schnell voran, und so war ich gegen Mittag schon kurz vor Krakau. Ich bin aber in Tarnów von der Autobahn abgefahren, um einen Besuch am Grab des Generals Józef Bem (1794–1850) zu machen, mit dessen Leben ich mich vor ein paar Jahren mal genauer beschäftigt habe. Józef Bem war einer der großen polnischen Revolutionäre, er hat schon als junger Mann in den Napoleonischen Kriegen gekämpft, zeichnete sich im polnischen Novemberaufstand 1830/31 aus, nach dem er nach Frankreich fliehen musste, und war schließlich 1848/49 einer der Generäle der ungarischen Armee im Krieg gegen Österreich und Russland. Nach der Niederlage floh er in die Türkei, trat zum Islam über und nahm den Namen Murad Paşa an. Als Wohnort wurde ihm Aleppo zugewiesen, wo er Salpetervorkommen entdeckte, eine Schießpulverfabrik gründete und einen Aufstand von Beduinen niederschlug, bevor er im Dezember 1850 an der Malaria starb. Er wurde in Aleppo begraben, aber 1929 in seine Heimatstadt Tarnów überführt und dort im Schützenpark (Park Strzelecki) beigesetzt. – Bevor man mich jetzt für einen Militaristen hält, teile ich noch kurz mit, was mich an ihm besonders fasziniert hat, nämlich seine Mehrsprachigkeit. Er stammte aus einer deutschen Familie (der Ururgroßvater war aus Schweidnitz zugewandert), ist in Polen aufgewachsen und er lebte lange in Frankreich. Publiziert hat er auf Polnisch, Französisch und Deutsch, und irgendwie muss er ja wohl auch Ungarisch gekonnt haben. Wie viel Arabisch und Türkisch er in dem knappen Jahr nach seiner Flucht ins Osmanische Reich noch gelernt hat, sei dahingestellt.

Das Grabmal befindet  sich in der Mitte eines Teichs, auf sechs Säulen steht ein Sarkophag, der auf einer Seite auf Polnisch, auf der zweiten auf Ungarisch und auf der dritten auf Arabisch beschriftet ist. Und der Kopf des Bestatteten soll in Richtung Mekka zeigen, was ich aber nicht überprüfen konnte (ich weiß weder, wo sich der Kopf befindet, noch in welcher Richtung Mekka liegt). Ein wirklicher sehr beeindruckender Ort!

Tarnów ist auch sonst eine schöne Stadt mit diversen Baudenkmälern, die ich aber nur vom Auto aus besichtigt habe, bei der Suche nach einem Parkplatz…

Dann fuhr ich weiter in Richtung Cieszyn / Teschen, wo ich auch ein Hotel für die nächste Nacht gebucht hatte. Die Strecke war nicht besonders interessant, weil ich fast bis zuletzt auf der Autobahn fuhr, aber ich kam natürlich an interessanten Orten vorbei, etwa Wilamowice und Bielsko-Biała, nur habe ich sie dieses Mal nicht besucht.

Das Hotel in Cieszyn, das etwas außerhalb des Stadtzentrums lag, erwies sich als ein Ausflugshotel aus der sozialistischen Zeit. Außer mir waren dort nur lärmende polnische Gruppen aus dem ganzen Land (auf dem Parkplatz stand ein Bus aus Gdańsk / Danzig), aber die haben mich zum Glück nicht belästigt. Ziemlich bemerkenswert fand ich, dass der Aufzug außen am Gebäude angebaut war, er ist also offenbar später hinzugefügt worden, weil das heute Standard ist. Ich weiß auch nicht, ob ich so gerne mit meinem Koffer bis in den vierten Stock gelaufen wäre…

Am Spätnachmittag habe ich die Altstadt und den Burgberg besichtigt. Ich muss nämlich zu meiner Schande gestehen, dass ich nur ein einziges Mal den polnischen Teil von Teschen besucht habe, irgendwann in der Mitte der neunziger Jahre, während ich im tschechischen Teil häufiger war, aber auch in jener Zeit. Von meinem einen Besuch im polnischen Cieszyn wusste ich aber noch, dass eigentlich alle Sehenswürdigkeiten der Stadt dort versammelt sind, während das tschechische Těšín nur wenige neuere Gebäude aufweist. Als die Tschechen im Februar 1919 versuchten, die ganze Stadt zu erobern, wurden sie von den Alliierten zu einem Waffenstillstand gezwungen und bekamen letztlich nur das Gebiet westlich der Olza / Olše, mit dem Hauptbahnhof und ein paar danebenliegenden Häusern. Heute ist die Stadt natürlich deutlich größer geworden.

Weil mir nicht klar war, wie nahe die Innenstadt ist, bin ich mit dem Auto hingefahren und wäre fast nach Tschechien geraten. Die Grenze geht ja nach wie vor mitten durch die Stadt, und heute darf man auch wieder die Brücke in der Stadt selbst verwenden (in den achtziger Jahren war sie gesperrt und man musste einen Umweg über eine andere Brücke über die Olza / Olše nehmen). Kurz vor dem Grenzübergang bin ich abgebogen und habe auch schnell einen Parkplatz unterhalb des Burgbergs gefunden.

Den Burgberg und die dort befindliche romanische Rotunde wollte ich unbedingt besichtigen, weil ich noch nie dort war. Ein Tübinger Bekannter bzw. Kollege hatte mich aber auf Facebook jedes Mal, wenn ich bei einer anderen Rotunde war, ermahnt, ich solle auch die in Cieszyn besichtigen, die sei besonders alt und besonders schön. Dem will ich auch gar nicht widersprechen, obwohl ich eigentlich finde, dass alle Rotunden aus dieser Zeit ziemlich ähnlich ausschauen – allmählich dürfte ich auch die meisten von ihnen besichtigt haben (jedenfalls kenne ich zwei in Prag, eine in Znojmo / Znaim, eine auf dem Říp, eine in Alt-Pilsen und eine im slowakischen Skalica, so viel mehr dürften es nicht sein).

Die Rotunde war sogar geöffnet (das ist bei Rotunden eher nicht üblich), sodass ich auch den schönen Kirchenraum sehen konnte. Und dann bin ich noch ein bisschen auf dem Burgberg herumgelaufen, wo eine Art Folklore-Festival stattfand, mit Bierausschank. Ich bin aber lieber in ein richtiges Restaurant gegangen, „Zu den drei Brüdern“ (U Trzech Braci) und habe sehr gut gegessen (vegetarisch!). Damit war auch dieser Tag abgeschlossen.

2 Kommentare

  • Vielen Dank für die Abstecher bei der Rückfahrt und den Besuch von Teschen, da war ich jetzt auch schon wieder ein paar Jahre nicht. Müsste mal wieder nachsehen, ob im Museum noch die Teebuttergeschichte falsch erzählt wird (wie noch vor einiger Zeit).

    • Na ja, vielleicht ist die Geschichte ja in Teschen richtig, während sie anderswo falsch ist. Oder anders gesagt: Wer weiß, ob die Teschener das aushalten, was Du in Erfahrung gebracht hast…

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