21. Februar 2025: Ausflug nach Třanovice und Český Těšín

Am zweiten Tag unternahm ich von Bielany aus einen Ausflug in den tschechischen Teil Schlesiens, also in das Gebiet, das früher Österreichisch-Schlesien hieß. Es mag verwundern, dass ich, kaum in Polen angekommen, dieses Land schon wieder verlassen habe, aber das lässt sich leicht erklären. In den letzten Jahren habe ich mir von hier aus fast alles in der Umgebung angeschaut, und jetzt hatte ich keine großen Ideen mehr. Außer, dass ich mir mal die andere Seite der Grenze anschauen wollte, die ja eigentlich eine künstliche Grenze ist, die es erst seit 1919 gibt. Historisch und kulturell gehören beide Seiten der Grenze zusammen. Und es ist kein Zufall, dass auf der tschechischen Seite der Grenze eine polnische Minderheit von etwa 50.000 Menschen lebt.

Trotzdem bin ich als erstes nach Wilamowice gefahren (das gehört sich einfach) und habe den üblichen Rundgang durch die Stadt gemacht, beginnend beim Denkmal des Hl. Józef Bilczewski, vorbei an dem Traditionsgasthaus Rogowa (wo ich dann am nächsten Tag auch gespeist habe) bis zur Kirche. Beim Fotografieren stellte ich fest, dass mein Handy nicht so wollte wie ich, aus irgendeinem Grund waren die meisten Fotos unscharf und unbrauchbar. Das einzige, was funktionierte, war das „Teleobjektiv“, deshalb sehen die Bilder alle so aus, als hätte ich sie aus der Ferne gemacht. – Zurück in Tübingen war ich im Handyladen, wo mir gesagt wurde, dass ein Teil der Linsen verschmutzt sei. Der nette Herr hat sie gereinigt und jetzt funktioniert alles wieder.

In Wilamowice war ich dann auch mit einem Problem konfrontiert, das ebenfalls schon Tradition hat. Und zwar habe ich nach einem Geldautomaten gesucht und keinen gefunden. Also fuhr ich schnell nach Kęty, der nächsten etwas größen Stadt (sie heißt auf Deutsch übrigens Liebenwerde, wurde aber offenbar schon sehr früh polonisiert), und habe dort Geld abgehoben. Zum wiederholten Mal habe ich überlegt, ob ich jetzt Kęty besichtigen soll (wo es ein paar Dinge zu sehen gibt), und habe mich zum wiederholten Mal dagegen entschieden. Österreichisch Schlesien war einfach verlockender.

Mein erstes und wichtigstes Ziel war das Dorf Třanovice (polnisch Trzanowice), wo ich vor vielen Jahren, etwa 1995, schon einmal war, und das mich deshalb interessierte, weil es die Heimat eines großen westslawischen Lutheraners ist, den ich hier Georgius Tranoscius nennen möchte. Er lebte von 1592 bis 1637 und hatte ein interessantes Leben. Er wurde in der Region geboren, auf die sein Familienname hinweist und die damals zum Herzogtum Teschen gehörte. Dieses Herzogtum gehörte damals zum Königreich Böhmen und sein Gebiet bis heute zum tschechischen Staat, wurde aber damals wie heute von Schlesiern bewohnt, die einen polnischen Dialekt sprachen. So hieß er wahrscheinlich Jerzy Trzanowski. Nach dem Studium in Wittenberg wurde er evangelischer Priester, zunächst in Böhmen und Mähren, ab 1627 in Oberungarn, der heutigen Slowakei. Dort wirkte er zuletzt in der Stadt Liptovský Mikuláš und gab auch ein Gesangbuch heraus, die „Cithara sanctorum“, das bis heute bedeutendste tschechische evangelische Gesangbuch. Die Slowaken betrachten ihn als einen der ihren und nennen ihn Juraj Tranovský, aber er schrieb auf Tschechisch und ist deshalb auch unter dem tschechischen Namen Jiří Třanovský bekannt. Und damit gehört er gleich drei westslawischen Völkern an – das muss man erst einmal schaffen!

Třanovice liegt wenige Kilometer südwestlich von Český Těšín und ist leicht zu erreichen. Zuerst fuhr ich auf der Autobahn von Bielsko-Biała nach Westen, überquerte dann in Cieszyn die Brücke über die Olsa (tschechisch Olše, polnisch Olza) und war bald in dem kleinen Ort, wo ich allerdings etwas länger nach den Sehenswürdigkeiten suchen musste. Im Zentrum gab es nämlich keine, und die evangelische Kirche mit dem Tranoscius-Denkmal stand auf einem Hügel, an dem ich vorbeigefahren war. Irgendwie sah alles ganz anders aus als 1995, denn ich kann mich nicht erinnern, dass es damals einen Hügel gegeben hätte.

Aber auf diesem Hügel steht die Kirche, davor eine Statue aus dem Jahr 1956, daneben ein Friedhof, an dessen Rand ein Museum steht. Das war natürlich geschlossen und es waren auch keine Menschen unterwegs. So konnte ich nur die zweisprachigen Tafeln bewundern, die es hier gibt. Heute bekennen sich noch etwa 20% der Bevölkerung zur polnischen Muttersprache.

Dann bin ich nach Teschen zurückgefahren, zuerst in den tschechischen Teil, der heute Český Těšín heißt. Das Herzogtum Teschen fiel nach dem Ersten Weltkrieg größtenteils an Polen, nur die Gebiete südlich der Olsa wurden von den Tschechen besetzt, weil sich dort der Bahnhof befand. Um den Bahnhof herum entstand eine neue Stadt, und die Polen mussten auf der anderen Seite des Flusses einen neuen Bahnhof bauen. Heute sind beide Städte gleich groß, aber die wichtigsten Denkmäler liegen auf der polnischen Seite. Seit 1990 kann man wieder einfach von einer Seite auf die andere gehen, nachdem man lange Zeit nicht rüber durfte.

Ich bin in der tschechischen und der polnischen Stadt herumgelaufen und habe ein paar Fotos gemacht. Ich habe keine Denkmäler oder das Schloss, wo ich vor einigen Jahren war, gründlicher besucht. Auf dem Rückweg zum Auto habe ich ein veganes Restaurant entdeckt, das leider schon geschlossen war. Ich wäre fast schon zurückgefahren, aber dann bin ich am städtischen Friedhof von Cieszyn vorbeigekommen und habe ihn mir angesehen. Ich habe keine tschechischen Gräber gefunden, aber ein paar deutsche aus der Zeit vor 1918.

Dann bin ich nach Bielany zurückgefahren, wo ich noch einen interessanten Abend hatte. Als ich im Restaurant des Hotels zu Abend aß, fiel mir auf, dass dort mehr Leute waren als sonst. Ich habe mir dabei nicht viel gedacht. Als ich mit dem Essen fertig war, sprach mich aber jemand an. Und sieh da, das war Frau Prof. Olko, Ethnologin von der Universität Warschau, die auch zum Muttersprachtag angereist war. Sie hat mich an ihren Tisch geführt, wo auch ein paar ihrer Mitarbeiterinnen saßen, die ich schon kannte, und ein paar Kaschuben, die am nächsten Tag dabei sein sollten. Ich habe dann erfahren, dass es am Vormittag eine wissenschaftliche Tagung geben sollte, zu der ich herzlich eingeladen wurde. Mehr dazu berichte ich in meinem nächsten Beitrag.