Vom Sonntag gibt es wenig zu berichten, weil ich nicht sehr unternehmungslustig war. Ich war nur vormittags im evangelischen Gottesdienst – auf die Existenz einer evangelischen Gemeinde war ich im Krankenhaus aufmerksam geworden, denn der evangelische Pfarrer, der Michal Vogl heißt, betreut das Krankenhaus zusammen mit seinem katholischen Kollegen und einer Pfarrerin der hussitischen Kirche.
Das evangelische Gemeindehaus habe ich schnell gefunden, es lag nicht weit vom Hotel entfernt. Eine Kirche suchte ich freilich vergeblich: Es gibt keine und die Gottesdienste finden im Gemeindehaus statt. Dort hatten sich etwa zwanzig ältere Leute versammelt, der einzige Jugendliche war, wie sich später herausstellte, der Sohn des Pfarrers. Der Gottesdienst folgte ganz dem Ritus der tschechischen Protestanten, wo man die Lieder immer ganz singt (egal, wie viele Strophen sie haben) und wo auch während der Austeilung des Abendmahls gesungen wird. Traditionell wird hier das älteste Lied der Brüdergemeinde angestimmt (mit 13 Strophen).
Der Pfarrer predigte über die Frage, ob ein Christ Fleisch essen darf, und trug eine Reihe von interessante Überlegungen zum Vegetarismus und zum Fleischgenuss vor. Dass er keine eindeutige Antwort geben würde, war zu erwarten, es trifft ja zu, dass das im Neuen Testament nicht klar geregelt ist.
Dem gemeinsamen Kaffeetrinken wollte ich mich eigentlich entziehen, aber nachdem mich der Pfarrer angesprochen hatte, bin ich doch geblieben und habe mich mit ihm, der Kirchenvorsteherin und einer weiteren Frau länger unterhalten. Der Pfarrer hat mir seine Familiengeschichte erzählt (der Nachname Vogl stammt natürlich von einem sudetendeutschen Urgroßvater), aber ich erfuhr auch einiges über die Diaspora-Situation in diesem überwiegend katholischen Gebiet. Die Kirchenvorsteherin hat mir erzählt, dass die Gemeinde in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts nur eine Gemeindehaus, aber keine Kirche bauen durfte. Und als der Vorgänger des heutigen Pfarrers das Thema noch einmal aufgriff, ging es wieder nicht, weil das Gemeindehaus in der denkmalgeschützten Zone liegt… Da wundert man sich schon, was in Staré Město möglich ist…
Nachmittags habe ich zunächst meinen Blog geschrieben und habe dann gefaulenzt, d.h. ich bin in der Stadt herumgelaufen, ohne unbedingt Neues zu entdecken und anzuschauen. Und ich bin wieder früh ins Bett gegangen, um bei den Verhandlungen über mein Auto fit zu sein.
Bei der allgemeinen Hitze war das sicher das Beste. Es freut mich immer sehr, dass Du auch fern der Heimat keinen Gottesdienst auslässt. Diese Schilderungen finde ich immer besonders interessant.