Über den gestrigen Tag gibt es nicht viel zu berichten, weil ich im Wesentlichen mit dem Auto unterwegs war. Ich wollte ja möglichst weit kommen, so bin ich letztlich ca. 400 km gefahren, wofür man in Polen gut sechs Stunden brauchen kann. Und diesen Bericht schreibe ich nun schon in Nowy Sącz, nicht weit von der Hohen Tatra.
Ich bin gestern kurz nach 9:30 von Polanica-Zdrój losgefahren, in Richtung Osten. Nach einer Irrfahrt durch Glatz (aus unbekannten Gründen wird die Route nach Neiße/Nysa durch die Innenstadt geführt…) war ich dann um 11 Uhr in Ottmachau/Otmuchów, einem Ort, der mich seit Jahren anzieht, den zu besichtigen ich aber noch nie genügend Zeit hatte. Unterwegs säumten Fischteiche und „smażalnie“, das sind Restaurants, wo man gebratenen frischen Fisch essen kann, den Weg, aber leider war es viel zu früh am Tag, als dass ich dort hätte absteigen können.
In Ottmuchau war ich das erste Mal 1978, bei der Polen-Rundfahrt mit meinem Bruder Albrecht und zweien seiner Freunde. Wir haben in einem Büffet etwas gegessen und ich habe festgestellt, dass oberhalb des Ortes ein großes Schloss steht. Dieses Schloss gehörte Wilhelm von Humboldt, und allein diese Tatsache ist so interessant, dass ich es unbedingt mal besuchen wollte. Gestern habe ich
Tafel zur Erinnerung an Wilhelm von Humboldt |
dann erst den kleinen hübschen Ort besichtigt, der im Wesentlichen aus dem Hauptplatz und einer Einkaufsstraße besteht, und bin dann
Hof des Schlosses |
zum Schloss hinaufgestiegen, das heute Hotel ist. Am Eingang kann man lesen, dass das Schloss bis 1810 den Breslauer Erzbischöfen gehörte, dann vom preußischen Staat 1821 an Wilhelm von Humboldt gegeben wurde und schließlich von seinen Nachfahren 1929 verkauft wurde. Wilhelm von Humboldt hat das Schloss auch umbauen lassen und war vermutlich manchmal da, aber ob eine seiner linguistischen Schriften, etwa „Über den Dualis“ oder „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus…“ hier verfasst wurde, muss weiteren Forschungen vorbehalten bleiben.
Gestern war das Schloss jedenfalls völlig menschenleer und es war auch nicht klar, was man hier besichtigen kann. Ich entdeckte dann einen älteren Herren mit Gehstöcken und fragte ihn auf Polnisch. Er begann damit, dass er nicht von hier sei, sondern Tscheche, worauf ich schnell ins
Selfie auf dem Schlossturm |
Tschechische switchte. Aber das half nichts, er sprach bis zum Ende unseres Gesprächs in einer Mischung aus Polnisch und Tschechisch, und auch seine Frau, die sich dazugesellte (sie hatte hinter einer Säule gesessen) hat daran nichts ändern können. Er sagte mir, dass man nur den Turm besichtigen kann, und das bestätigte mir dann auch die Dame an der Rezeption. So war ich auf dem Turm, habe die Umgebung bewundert und ein Selfie gemacht – dazu ist man ja heute fast verpflichtet…
Dann bin ich mit dem Auto weitergefahren, durch Neiße/Nysa, wo die Straße sogar an dem Friedhof vorbeiführt, auf dem Eichendorff begraben ist, und dann weiter in Richtung Oppeln/Opole. Nach Oppeln fuhr ich ein Stück durch das Gebiet, wo die deutsche Minderheit zu Hause ist, und bewunderte Ortsnamen wie Chrzowitz/Chrzowice, Groß Schimnitz/Zimnice Wielkie und Zlönitz/Źlinice. Da kommt man ja auf ganz neue Ideen zum deutsch-polnischen Sprachkontakt. Wenig später beschloss ich, den Plan zu einem Abstecher in die ehemalige deutsche Sprachinsel Wilamowice aufzugeben und gleich auf die Autobahn zu wechseln. Wilamowice ist nicht einfach zu besuchen (ich war dort schon vor einigen Jahren), denn es gibt nur noch einen Muttersprachler unter 30 (den man erstmal auftreiben muss). Und inzwischen war es auch so heiß, dass ich fast nicht mehr konnte. Ich bin auch fast bei jeder zweiten Raststätte hinausgefahren, um mich zu erholen… Gewöhnungsbedürftig war das System der Autobahngebühren. Man muss immer für relativ kurze Strecken zahlen, und das teilweise davor und teilweise danach. Aber ich kann ja zum Glück etwas Polnisch.
Zu Mittag gegessen habe ich an der Raststätte St. Annaberg / Góra Świętej Anny und habe der Kämpfe vom Mai 1921 gedacht, vermutlich als einziger Besucher der Raststätte. Dann ging es weiter, vorbei an Kattowitz und Krakau, und schließlich nach Wieliczka, von wo ich auf kleinen (und leeren) Straßen gemütlich durchs Gebirge nach Nowy Sącz gefahren bin, durch eine wunderschöne Landschaft. Nowy Sącz selbst (es heißt auf Deutsch übrigens Neu Sandez, aber mir widerstrebt es, diesen Namen zu verwenden, weil die deutsche Besiedlung in dieser Gegend schon sehr lange her ist) liegt auf einem Plateau über dem Tal des Dunajec und ist eine schöne alte Stadt, mit Burgruine, mehreren Kirchen und zwei Synagogen. Auch ein chassidischer Rabbiner liegt hier begraben, dessen Grab besuche ich aber erst am Sonntag.
Papst mit jugendlichem Verehrer |
Ein Hotel war schnell gefunden, das Hotel Panorama mit Blick aufs Tal. Und ich habe auch schon einen ersten Rundgang unternommen,
Festgottesdienst im Freien |
wo ich die obligatorische Statue des Hl. Jan Paweł gesehen habe und bin in einen Festgottesdienst unter freiem Himmel geraten. Im Prinzip ging es wohl um eine Art Kirchweih, aber Thema des Gottesdienstes war der polnische Staat inklusive des neuen Präsidenten. So habe ich mich schnell zurückgezogen.
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Das ist mittlerweile der dritte Kommentar unter diesem Reisebericht, aber das Programm ist offenbar dermaßen überhitzt, dass es nicht richtig funktioniert, deshalb hier nur ein rascher Gruß und Dank aus Wien bei knapp +40°C. Der Kommentar wurde übrigens nicht vom Autor entfernt, aber was hilft's, diskutieren mit einer Software ist zwecklos.