12. August 2015: Von Krosno bis Łańcut

Der gestrige Tag begann mit der Lektüre eines Artikels von Wojciech Blajer über den Stand der Forschung zu den deutschen Enklaven zwischen Wisłoka und San – dieser grundlegende Text musste erst per Fernleihe bestellt werden, und dank meinen fleißigen Hilfskräfte bekam ich ihn nun eingescannt zugeschickt. Der Artikel enthält vor allem einen umfangreichen Forschungsbericht, grenzt aber auch die Gebiete ein. Und so weiß ich nun, dass es im Wesentlichen drei Siedlungsgebiete gab, nämlich erstens um Krosno (wo ich bis gestern war), zweitens um Łańcut (wo ich inzwischen bin) und drittens um Wielopole Skrzyńskie – das habe ich verpasst und fahre auch nicht mehr dorthin zurück.

Dorfkirche am Wegesrand

Am Morgen wollte ich als erstes noch einige Orte in der Nähe von Krosno besichtigen. So fuhr ich nach Rymanów, auch eine alte deutsche Siedlung, wo es aber nichts zu sehen gab, und dann durch Iwonicz-Zdrój, ein Kurbad mit großen Anlagen, nach

Kurpark von Iwonicz

Dukła. Unterwegs hätte es auch noch ein Museum der Erdölgewinnung in Bóbrka gegeben, aber auch das habe ich mir nicht angetan. Dafür war ich dazwischen an der Straße in einer netten Dorfkirche, deren Namen ich mir leider nicht notiert habe.

Der Name Dukła hat in mir merkwürdige Assoziationen ausgelöst. Denn Dukla war zu den Zeiten, als ich anfing, Tschechisch zu lernen, ein häufiger Namensbestandteil diverser kommunistischer Unternehmungen. So gibt es auch einen Fußballverein „Dukla Praha“. Später habe ich dann gelernt, dass als

Kapelle des Hl. Johannes von Dukła

Namensgeber der Dukla-Pass im Norden der Slowakei dient, an dem im September und Oktober 1944 eine große Schlacht stattfand, nach deren Gewinn die sowjetischen Truppen in die Slowakei vorrücken konnten. Aber jetzt stellte sich auch noch heraus, dass der Duklapass nach dem polnischen (!) Ort Dukła heißt. Wenn man dort ankommt, erfährt man aber nichts über den Pass oder die Schlacht, sondern hier steht ganz der Hl. Johannes von Dukła (1414-1484) im Mittelpunkt, der von hier stammte, lange Einsiedler war und zuletzt Prediger in Lemberg. Er war Mitglied des Bernhardiner-Ordens (nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Hunden), und folglich steht in

Kirche des Hl. Johannes von Dukła

Dukła auch eine prachtvolle Barockkirche der Bernhardiner, in die 1974 seine Überreste überführt wurden. Nahe der Kirche soll auch seine Klause sein, die habe ich aber nicht gefunden. Auf einer Informationstafel las ich dann, dass der arme Johannes von Dukła in Lemberg auf Deutsch predigen musste, weil dort damals das Patriziat deutsch war. Da habe ich dann darüber nachgedacht, ob er nicht vielleicht auch schon zu Hause deutsch gesprochen hat… Und

Tafel zum Gedenken an
Józef Wandalin Mniszech

natürlich hat mich sehr beeindruckt, dass einer der Förderer der Kirche der Adlige Józef Wandalin Mniszech war, seinen schönen zweiten Vornamen sollte man wiederbeleben!

Von Dukła aus bin ich dann in Richtung Rzeszów gefahren, wobei ich diese Großstadt allerdings vermeiden wollte. Von meinem Handy habe ich mir statt dessen den Weg nach Markowa weisen lassen, also in dasjenige Dorf, wo sich die Spuren deutscher Besiedlung am längsten nachweisen lassen. Dort hat nämlich der katholische Priester Franciszek Siarczyński (1758-1829) am Ende des 18. Jahrhunderts ein deutsches Osterlied aufgezeichnet, dass die Bauern noch sangen, ohne es allerdings zu verstehen. Eine Übersetzung konnte nur noch ein neunzigjähriger Greis geben. Der Weg nach Markowa führt durch eine gebirgige Gegend, auf und ab, Mittagspause machte ich in einer Raststätte namens „Magyar“, wo echtes ungarisches Essen serviert wird, allerdings von einer Familie Drozd (die kaum Ungarn sind). Um dies zu würdigen, habe ich eine ungarische Fischsuppe (Halászlé) bestellt, die Portion war dann allerdings so riesig, dass ich einen Teil zurückgehen lassen musste.

Nicht lange nach der Raststätte ging die Route dann von der großen Straße ab und über kleine Dörfer in Richtung Markowa. Irgendwann habe ich auch den Stadtrand von Rzeszów gestreift, aber auch einen Ort mit dem schönen Namen Albigowa, den ich im ersten Moment nicht richtig zu würdigen wusste. Auch das ist eine mittelalterliche deutsche Gründung, die ursprünglich Helwigau hieß.

Markowa selbst erwies sich als ziemlich unzugänglich. Es begann schon damit, dass mich mein Handy mehrfach in die Irre geführt hat, und als ich schließlich im Ort war, entsprach er gar nicht

Friedhof von Markowa
Grab der Familie Ulma

meinen Erwartungen. Nach der Literatur soll hier ein typisches Waldhufendorf vorliegen, dem der Kundige sofort den deutschen Ursprung ansieht. Laut Wikipedia handelt sich um „ein Reihendorf, bei dem meist doppelzeilig der Landbesitz jeweils als breiter Streifen an die Hoflage anschließt“. Um das heute noch zu sehen, braucht man aber viel Fantasie, die mir eher abgeht.

Mit Mühe habe ich die Kirche und den Friedhof gefunden und war dann gleich mit der Erinnerung an das Wüten der Deutschen im 2. Weltkrieg konfrontiert. Ich hatte von dieser Geschichte zwar

Denkmal für die Familie
und die ermordeten Juden
Gedenktafel in der Kirche

gelesen, aber mir war nicht präsent, dass das in Markowa passiert ist. Hier wurde am 24. März 1944 die achtköpfige Familie von Józef und Wiesława Ulma ermordet, zusammen mit acht Juden, die sie versteckt hatten. An dieses Verbrechen erinnert inzwischen ein Denkmal, das Ehepaar erhielt den Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“, und inzwischen ist auch die Seligsprechung eingeleitet. Deshalb sah ich auf dem Friedhof Wegweiser zum Grab der „Diener Gottes“ Józef und Wiesława Ulma, habe das Grab aber erst nicht gefunden, weil ich dachte, es müsse relativ groß sein – das habe ich aus Abbildungen im Internet geschlossen. Ich fragte dann einen Friedhofsbesucher, der mich zum Grab führte und mir auch erklärte, dass das Denkmal ganz woanders ist. Dieses habe ich dann auch noch aufgesucht. Es steht neben dem Eingang zu einem Freilichtmuseum, das ich den nächsten Tagen auch noch besichtigen werde. Mich interessiert natürlich, wie dort die deutschen Ursprünge behandelt werden, aber gestern, nach dem Besuch der beiden Gedenkstätten, lag mir diese Fragestellung eher fern.

Von Markowa bin ich dann nach Łańcut gefahren und habe schnell ein gutes Hotel gefunden, wo ich jetzt ein paar Tage bleibe. In Łańcut gibt es auch das Schloss der Familie Potocki und manches andere, dazu in den nächsten Tagen mehr.

2 Kommentare

  • Deine Mutter hat völlig recht, Dir einfach per Mail zu schreiben. Das Kommentieren hier ist immer eine Geduldsprobe sondergleichen. Zunächst muss man schon vorab eingeloggt sein, bevor man überhaupt antwortet. Ansonsten kann man den Kommentar zwar schreiben, dann wird man auch noch gefragt, wie man sich einloggen möchte, aber schlussendlich muss man von vorne beginnen, weil der gesamte Kommentar sodann verschwunden ist. Dies weiß ich mittlerweile. Bloß wollte ich jetzt rasch in der Mittagspause – bereits eingeloggt – ein paar Kommentare schreiben, was auch gut funktionierte, nur plötzlich stürzte der Browser aus heiterem Himmel ab. Bei der Wiederherstellung hat sich das Programm zwar alles gemerkt, auch die Cookies, die man akzeptieren muss, nur die Kommentare waren verschwunden. Also starte ich einen weiteren, wenn auch abgespeckten Versuch: Hier wollte ich für die Übermittlung von Blajer danken, darauf hinweisen, dass das Freilichtmuseum Skansen Zagroda – Muzeum Towarzystwa Przyjaciół Markowej durchaus gute und mehrere Internetseiten aufweist, also nicht nur in der Realität glänzt. Ich weiß jetzt auch, was den typischen Umgebindehaustyp der Gegend ausmacht. Und später hast Du das Museum ja selbst besucht und gelobt.
    Zur ungarischen Familie Drozd fiel mir spontan nur ein, dass eine bekannte Tschechischlehrerin, Reiseleiterin und Buchautorin bei uns Hana Rigó (statt Drozd) heißt, was wieder einmal zeigt, wie schön sich alles mit der Zeit vermischt hat.

  • Danke für die Kommentare. Über das Programm äußere ich mich lieber nicht, das ist nämlich beim Abfassen des Blog kapriziös. Ich schreibe daher alle Texte off-line und setze sie erst später ein – das ging natürlich auch bei Kommentaren. Was die Homepage des Freilichtmuseums angeht, so kann ich mir die boshafte Bemerkung nicht ersparen, dass sie zwar schön über die Exponate berichten, aber nicht über die Geschichte des Orts. Unter "Historia" steht nämlich nur die Geschichte des Vereins…

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