Eigentlich hatte ich für diesen Tag kein Besuchsprogramm mehr geplant, sondern wollte zügig und gleichzeitig ohne zu viel Stress in Richtung Tübingen fahren. Als ich mich über die Geschichte der Rotunde in Skalica informierte, bin ich aber im Internet zufällig auf eine Sehenswürdigkeit gestoßen, die mir noch nicht bekannt war, und zwar auf die Kirche von Kopčany. Kopčany liegt etwa 12 km von Skalica entfernt, und dort steht – wie ich staunend erfuhr – die älteste Kirche der Slowakei, und gleichzeitig die einzige Kirche aus der großmährischen Zeit, die noch als Gebäude erhalten ist, wenn auch im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut. Dass die Kirche ursprünglich am Ende des 9. Jahrhunderts erbaut wurde, haben Grabungen im Jahr 1964 ergeben. Und die Datierung anhand der Radiokarbonmethode ergab als Baujahr 925 ± 60 Jahre.
Ich war völlig beeindruckt, erstens davon, dass es diese Kirche gibt, zweitens davon, dass ich noch nie von ihr gehört habe. Und natürlich musste ich diese Kirche sehen! Ich bin also nach dem Frühstück mit dem Auto nach Kopčany gefahren und machte mich damm auf die Suche nach der Kirche, die nicht im Ort selbst liegt, sondern irgendwo auf dem Feld, zwischen dem Ort und dem Fluss Morava/March. Glücklicherweise war der Weg gut ausgeschildert, ich kam von der Hauptstraße auf einen Feldweg, der dann durch einen Wald führte. Und am Waldrand war Schluss, man durfte nicht weiterfahren. Aber ich sah die Kirche dann schon in der Ferne und wurde auch darüber informiert, warum man nicht weiterfahren darf. Es wird nämlich gerade eine Straße gebaut, offenbar in Vorbereitung weiterer Ausgrabungen.
Die Kirche, zu der ich dann ungefähr noch einen Kilometer gelaufen bin, ist ziemlich beeindruckend, und zwar weil sie wirklich sehr archaisch ist (auf der Tafel vor der Kirche steht, sie sei „vorromanisch“). Natürlich konnte ich nicht in die Kirche hinein, aber ich habe sie von allen Seiten betrachten und fotografiert. Geweiht ist sie die Hl. Margareta von Antiochien (die auf Slowakisch merkwürdigerweise svätá Margita Antiochijská heißt), und offenbar finden immer noch Gottesdienste und Wallfahrten dorthin statt. An diesem Tag war ich aber weit und breit der einzige Besucher, nur in der Ferne sah ich ein Baufahrzeug, das Sand auf die neue Straße transportierte. Und auf der andere Seite lag die Niederung der Morava – und hinter ihr die Tschechische Republik. Ich hatte das zwar gelesen, aber erst jetzt realisierte ich, wie nahe ich der in Mähren gelegenen Ausgrabungsstätte Mikulčice bin, diese liegt nämlich auf der anderen Seite der Morava, die Entfernung beträgt in der Luftlinie nur ca. zwei Kilometer. Nur gibt es bisher keine Brücke…
Der Besuch bei dieser Kirche, die allein in der Landschaft steht und gleichzeitig an einer historisch bedeutsamen Stelle, die vor 1100 Jahren gebaut wurde und immer noch da ist, hat einen großen Eindruck auf mich gemacht.
Spontan habe ich mich dann entschlossen, auch noch Mikulčice aufzusuchen. Dort war ich schon zweimal, einmal allein (1994) und einmal mit meinen Eltern (1995), danach nie mehr, obwohl es dort 2007 zu einem Brand gekommen ist (sogar mit einem Toten), nach dem dann das Museum neu aufgebaut und modernisiert wurde. Ich fuhr also weiter nach Mikulčice, allerdings nicht zwei Kilometer, sondern über 20, ich musste weit nach Süden, konnte dann bei Kúty und Lanžhot die Grenze überschreiten und war gegen 11 Uhr in Mikulčice.
Zufällig bin ich genau an dem Tag nach Mikulčice gekommen, wo man den 60. Jahrestag des Beginns der Ausgrabungen feierte. Deshalb war der Eintritt kostenlos, ich hätte nur für den Besuch des Turms bezahlen müssen, aber auf den habe ich freiwillig verzichtet – ich besteige schon seit einigen Jahren keine Türme mehr…
Bevor ich von der Besichtigung berichte, will ich noch kurz ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu meinem Verhältnis zum Großmährischen Reich machen. Ich habe mich immer sehr für dieses erste wirklich gut dokumentierte slawische Staatswesen interessiert und im Laufe der Jahre auch alle Ausgrabungsstätten besucht, manche schon öfter. Meine Kenntnisse der Forschungsliteratur sind nicht ganz so gut, ich komme schlicht nicht dazu, kontinuierlich zu verfolgen, was publiziert wird, aber ich kenne die Standardwerke (vor allem die älteren…). Was mich immer erstaunt, ist die Zuversicht, mit der vor allem in Tschechien Orte und Personen zueinander in Beziehung gesetzt werden, und das deshalb, weil bei den Ausgrabungen bisher überhaupt keine Inschriften und auch keine sonstigen Texte gefunden wurden. Und die Ortsangaben in den Texten sind großenteils nur schwierig zuzuordnen. Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen verwundert dann nicht weiter, dass ich heuer an drei Orten war, wo behauptet wird, dass dort der Hl. Method begraben sei (bzw. begraben gewesen sei), nämlich auf dem „Klimentek“, in Sady und in Mikulčice. Eine weitere Sache, über die ich mich öfter amüsiere, ist die freigiebige Verwendung der glagolitischen Schrift in Museen und Ausgrabungsstätten. So war das schon in Modrá (wo ein Blatt mit dem glagolitischen Alphabet in einem Gebäude hing) und jetzt wieder in Mikulčice, wo an den Türen des Pavillons, der über der wichtigsten Kirche errichtet wurde, Bibelzitate in glagolitischer Schrift angebracht sind, an der Außenseite (innen stehen die Zitate dann sicherheitshalber auch noch auf Tschechisch).
Meine Erinnerung an den Zustand des Museums bei meinen ersten Besuchen ist eher schwach. Ich kann mich an ein Gebäude erinnern, in dem in der Mitte Ausgrabungen zu sehen sind, einschließlich von Skeletten, und wo an den Rändern Vitrinen mit Ausstellungsstücken waren. Wie mir die Führerin auf Nachfrage erklärte, ist das heute der 2. Pavillon, wo man im Wesentlichen die Ausgrabungen sieht und nur ein paar Funde an den Wänden, während sich das
Nach der Einführung gingen wir in den zweiten Pavillon, wo uns der Kirchenbau vorgestellt wurde, wo aber der Hinweis, dass es sich bei dem Skelett, das in der Mitte des Kirchenschiffs liegt, um einen Angehörigen des Herrscherhauses handeln muss, nicht fehlen durfte (1995 hieß es noch, es sei Mojmír I.). Und dann folgte ein Rundgang zu den näher gelegenen weiteren Ausgrabungen, darunter dem sog. Fürstenpalast (der heute nicht so besonders beeindruckend aussieht), zu weiteren Kirchen und zu einer Stelle, wo früher mal eine Brücke über die Morava war. Eine neue Brücke ist übrigens im Bau, sodass man nächstes Jahr dann auch die Kirche in Kopčany von Mikulčice aus besichtigen kann.
Nach der Führung war ich noch mal an der Kasse, habe mir einen Führer durch die Ausgrabung, ein Memory mit Kyrill und Method und Postkarten gekauft (die ich sowieso nie verschicken werde…). Die Damen lobten mich noch für mein Tschechisch und waren begeistert, dass ich nach so vielen Jahren wiedergekommen bin, ja, und dann war auch dieses Erlebnis vorbei.
Ich bin am selben Tag noch bis in die Gegend von Beroun gefahren und am nächsten Tag über München zurück nach Tübingen. Doch von diesen zwei Tagen gibt es nichts weiter zu berichten.
Und der Blog wird hiermit für dieses Jahr geschlossen.