16. August 2021: Von Supraśl nach Chełm

Der gestrige Tag war nicht sehr ereignisreich, aus zwei Gründen. Erstens bin ich mal wieder eine größere Strecke mit dem Auto gefahren, zweitens hätte ich ohnehin nicht viel besichtigen können, weil Montag war (und am Montag sind in Polen Museen u. Ä. geschlossen). Ich bin um 9:30 von Supraśl losgefahren, in Richtung Süden und in die Gegend von Lublin. Da ich Lublin schon kenne und größere Städte meide, hatte ich mir ein Hotel in Chełm gebucht, einer Stadt nahe der ukrainischen Grenzen.

Schon relativ bald empfahl mir mein Navigator, nicht der großen Straße nach Lublin zu folgen, sondern kleineren Straßen. Das war eigentlich sehr nett, weil ich durch ländliche Gegenden gefahren bin, es hat die Fahrt aber auch verlangsamt. Denn auf der Strecke gab es Bauarbeiten und sogar Staus. Natürlich wird gelegentlich am Wegesrand auf eine Kirche oder ein Museum verwiesen, aber im Prinzip ist das eine wenig besiedelte Gegend, in der Ebene. Einmal bin ich über den Narew gefahren, später über den Bug, beides sind große Flüsse, die aus dem Osten nach Polen kommen. Der Bug bildet auch streckenweise die Grenze zu Belarus und der Ukraine.

Interessant ist diese Gegend u.a. auch deshalb, weil sie eigentlich zum ostslavischen Siedlungsgebiet gehört. D.h. sie war Teil des Kiewer Reichs und später dann des Fürstentums Halič (bzw. Galizien) und kam gegen des Ende des 14. Jahrhunderts an Polen. So erklärt sich, dass es hier noch viele orthodoxe und unierte Kirchen gibt, und auch eine belarussische und eine ukrainische Minderheit – die aber beide stark zurückgegangen sind und wohl weitgehend vor der Assimilation stehen. Dem Slavisten fallen auch viele ostslavisch wirkende Ortsnamen auf, insbesondere mit dem Buchstaben h (den es in echt polnischen Wörtern nur selten gibt). Vgl. etwa Orte wie Haczki, Hanna, Dołhobrody, Hańsk und – als einsamer Höhepunkt – Horodyszcze.

Gegen 15 Uhr war ich in Włodawa, das am Dreiländereck Polen / Belarus / Ukraine liegt. Ich bin in die Stadt hineingefahren (übrigens bei brütender Hitze), auch wenn ich mir nicht sicher war, wie viel man von der Grenze überhaupt sieht. Aber als ich eine steile Straße namens Mostowa entdeckt hatte, die den Hang hinunterging, habe ich geparkt und bin bis zu der angekündigten Brücke gelaufen (Mostowa heißt Brückengasse). Auf der einen Seite waren polnischen Flaggen aufgemalt, auf der anderen Seite aber gar nichts, die Grenze zu Belarus kommt erst etwas später. Bei dem Warnschild bin ich umgekehrt, ohne genau gesehen zu haben, wo die Grenze verläuft. Am Straßenrand sah ich auch zwei Denkmäler, die darstellen, wie Soldaten Menschen vor sich her treiben, sie erinnern an die Deportation der Juden ins nahegelegene Sobibór (wo ich auch noch hinfahren möchte).

Dann bin ich zügig nach Chełm weitergefahren und habe mich im Hotel einquartiert. Es liegt in einer Ausfallstraße, aber doch recht nahe am Zentrum. Die Dame an der Rezeption meinte, bis zum Hauptplatz seien es 7 Minuten, so habe ich mich bald auf den Weg gemacht. Die Wegweiser ins Zentrum führten auf eine Straße, von der es auf der rechten Seite zum Burgberg hinaufgeht – dort steht heute (und schon seit dem frühen 18. Jahrhundert) die Basilika Mariä Geburt (Bazylika Narodzenia Najświętszej Maryi Panny). Die erst eine unierte Kirche war, später eine orthodoxe und heute natürlich eine katholische (was sollte sie auch sonst sein…). Ich bin hinaufgestiegen, habe in die Kirche hineingeschaut, auf deren Altar die berühmte Ikone der Mutter Gottes von Chełm steht – allerdings nur als Kopie. Das Original, das die Gattin von Wladimir dem Heiligen 988 aus Konstantinopel mitgebracht haben soll, war nach dem Ersten Weltkrieg verschollen, wurde wiedergefunden und befindet sich in einem Museum in Luzk (in der Westukraine).

Dann ging ich vom Burgberg wieder hinunter, leider in der falschen Richtung, aber ich sah dafür einiges von der imposanten Anlage. Und unten „im Tal“ war ich wieder in der Nähe meines Hotels… Ich habe dann länger nach der Innenstadt gesucht, was mir letztlich nur gelang, in dem ich auf meinem Handy eingab, ich würde Restaurants suchen (und das war ja nicht falsch, ich wollte auch zu Abend essen). Letztlich gelangte ich an einen netten kleinen Platz, wo viele Leute waren, um ihn herum erstreckt sich die wirklich ziemlich kleine Altstadt. Ein Restaurant zu finden, war trotzdem nicht so einfach, denn es gibt eigentlich nur Eisdielen (dafür gefühlt um die 100). Drei Kebab-Geschäfte habe ich verschmäht, selbst das armenische. Aber wenn man kein Fleisch ist, kann man auch den armenischen Kebab nicht genießen.

In einer Pizzeria, die sinnigerweise genauso heißt wie mein Hotel, ohne mit ihm etwas zu tun zu haben, habe ich den Tag dann ausklingen lassen.

1 Kommentar

  • Habe zum Glück noch das Telefon, das ich praktisch sonst nicht benutze. Das lässt sich überall laden und ich kann zumindest Deine Berichte gut lesen. Das Dreiländereck kenne ich ziemlich gut, dort steht eine rote Stele aus Marmor am linken Flussufer des Bug. Gute Weiterreise und alles Liebe aus Obora, gerade nach der Rückkehr aus dem einzigen öffentlich zugänglichen Untertage-Kaolin-Bergwerk Europas in Nevřeň.

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