2. August: Święta Lipka/Heiligenlinden

Am Mittwoch haben wir einen kleineren Ausflug unternommen, und zwar sind wir in den bekannten masurischen Wallfahrtsort Święta Lipka/Heiligenlinden gefahren. Dieser Ort hat eine altehrwürdige Geschichte, die angeblich bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht, und es geht um einen der Fälle, wo eine Heiligenfigur eng mit einem konkreten Baum verknüpft ist. Ursprünglich hat sie ein zum Tode Verurteilter an einem Tag geschnitzt und wurde dafür begnadigt, er hängte sie in eine Linde, und dort wurde sie dann verehrt, es geschahen Wunder, es wurde eine Kapelle gebaut usw. Als die bösen Protestanten die Kapelle zerstörten, gingen die Wunder aber weiter und letztlich ließ der Erzbischof von Ermland 1619 eine neue Kapelle errichten, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch den heutigen Prachtbau ersetzt wurde. Und der Baum ist auch noch da, er steht in der Kirche auf der rechten Seite. Die eigentliche Verehrung gilt aber (natürlich) dem Gnadenbild auf dem Altar.
Die Fahrt von Barczewko bis Święta Lipka dauerte etwa eine Stunde. Als wir ankamen, war zwar der Parkplatz noch relativ leer, d.h. es standen nur zwei Busse dort, aber die Kirche war schon richtig voll – denn um 11 Uhr sollte die berühmte Orgel vorgeführt werden. Die einleitenden Worte sprach ein Pater, der so salbungsvoll sprach, dass ich nur dank meiner Polnischkenntnisse feststellen konnte, dass es hier nicht um einen Gottesdienst ging… Zunächst wurden die Pilgergruppen aus Polen und Litauen begrüßt, und dann folgte eine längere Rede über die Geschichte der Orgel, erst auf Polnisch – und dann auf Deutsch! Hier könnte man sich tiefsinnige Gedanken über Polen in Litauen und Deutschland machen, auf die ich aber verzichten will.
Das Besondere an dieser Orgel ist übrigens, dass an ihr Figuren (von Engeln und Heiligen) angebracht sind, die sich bewegen, wenn die Orgel spielt. Ich habe nichts dagegen, aber irgendwie habe ich bei der anschließenden Vorführung der Orgel doch lieber auf die Musik geachtet und nicht meinen Hals verrenkt, wann sich wo etwas bewegt. Gespielt wurde außer bekannten Komponisten (die ich schon wieder vergessen habe) auch ein Stück des aus der Gegend stammenden Komponisten Feliks Nowowiejski, der in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts offenbar recht bekannt war. – Nach dem Orgelspiel haben wir die Kirche genauer angeschaut, und ich habe mit meinen Nichten darüber diskutiert, ob der Baum echt ist oder nachgemacht. Leider konnte man ihn nicht so genau untersuchen… Klar ist, dass die Blätter aus Metall sind, aber weiter unten steht meines Erachtens immer noch ein Rest eines Baumstamms, ob des ursprünglichen, sei dahingestellt.
Nach der Besichtigung haben wir beschlossen, nicht vor Ort zu essen, wo alles sehr touristisch war. Das hat uns aber nicht daran gehindert, die Verkaufsstände zu besuchen und Ohrringe, Gürtel und andere Devotionalien zu kaufen. Das Mittagessen haben wir in Reszel/Rößel eingenommen, einer hübschen Kleinstadt mit Resten einer Burg und einer gut erhaltenen Altstadt.
Dann ging es zurück nach Barczewko. Ich bin am späteren Nachmittag noch einmal allein nach Olsztyn/Allenstein gefahren, erstens um ein paar Dinge einzukaufen (z.B. einen Autoatlas und Briefmarken), zweitens um den Stand der Stadt mit meinen fragmentarischen Erinnerungen an den ersten Besuch im Jahr 1978 abzugleichen. Beides ist nur in Grenzen gelungen… In der Innenstadt sind nur wenige Läden, vor allem Gaststätten und Behörden, so habe ich schließlich meine Einkäufe in einem Kaufhaus am Stadtrand getätigt. Und die Erinnerungen ließen sich nicht mit der Realität in Einklang bringen. Die Kathedrale fand ich relativ uninteressant (wahrscheinlich wurde sie einfach zu oft umgebaut…), an das Schloss konnte ich mich nicht erinnern, finde es aber ganz nett. Abgesehen vom penetranten Copernicus-Kult, der aber für Ermland und Masuren insgesamt typisch ist… Gut, ein „fotografisches“ Gedächtnis hatte ich noch nie, aber dass so wenig da ist… Man sollte solche Orte einfach in kürzeren Abständen besuchen.

Blick auf das Kloster Heiligenlinden

Vor der Klosterkirche

Die heilige Linde

Blick ins Kirchenschiff

Rathaus von Allenstein

Burg von Allenstein

Dom von Allenstein

1 Kommentar

  • "Man sollte solche Orte einfach in kürzeren Abständen besuchen." ☾ಠ‿ಠ☀ Puuh, da müsstest Du aber dann das ganze Jahr über nur reisen, oder ist Dein "solche Orte" so eng gefasst?

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