21. August 2014: Nitra – garantiert slowakisch seit 20. Februar 860

Mein Auto im Hof des Hotels „Salamander“

Am Donnerstagmorgen (Achtung, es geht um den 21. August!) habe ich mich von Banská Štiavnica aus auf den Rückweg nach Westen gemacht. Am Morgen regnete es in Strömen, und ich war mir nicht einmal sicher, ob ich so schnell wegkommen würde, denn mein Auto war auf dem kleinen Hof des Hotels völlig eingeparkt. Aber die Dame an der Rezeption wusste schon, wie man mit dieser Situation umgeht. Als ich fahren wollte, wurden in Windeseile die Besitzer dreier weiterer Autos herbeigetrommelt und fuhren hinaus, sodass auch ich problemlos den Hof verlassen konnte.

Relief an der Franziskanerkirche

Erst im Auto begann ich zu überlegen, wo ich auf dem Weg nach Ostböhmen noch einen Zwischenhalt einlegen könnte. Die Idee, Orte wie Levice oder Zlaté Moravce zu besichtigen, verwarf ich schnell und entschied mich für einen Kurzbesuch in Nitra, einer schönen alten Stadt an der slowakisch-ungarischen Sprachgrenze, wo ich schon einige Male gewesen bin, das letzte Mal freilich vor mehr als fünfzehn Jahren.  Und ich beschloss, meinen Besuch auf den Burgberg zu beschränken, der am Rande der Stadt liegt und auf dem die St.-Emmerams-Kathedrale steht.

Gleich zu Beginn des Aufstiegs kommt man an der Franziskanerkirche vorbei, an der eine in die Wand eingemauertes Relief daran erinnert, dass Nitra 1663/64 von den Türken besetzt war, die dort einen Sandschak einrichten wollten, aber schon bald wieder von der kaiserlichen Armee zurückerobert wurde. Das Trauma der Türkenherrschaft begegnet einem dann auf dem Burgberg noch öfter, obwohl es sich nur um eine ziemlich kurze Periode handelte.

Pribina

Etwa 200 m weiter begegnet man dann dem nächsten Akteur der Geschichte Nitras, und zwar dem Fürsten Pribina, der im 9. Jahrhundert über die Gegend geherrscht hat und für den hier 830 die erste Kirche geweiht wurde. Man weiß dies aus einer kurzen Notiz in der Conversio Bagoriariorum et Carantanorum, aber allein die Tatsache, dass der Ortsname Nitra vorkommt, hat die Phantasie slowakischer Künstler befriedigt. So steht am Burgberg nicht nur eine Statue von Pribina, sondern auch eine große Straße in der Stadt ist nach ihm benannt. Früher war er auch auf slowakischen Geldscheinen abgebildet, aber das konnte nach der Einführung des Euros nicht fortgesetzt werden.

Denkmal für den Hl. Johannes Paul II.

Weiter oben kommt noch eine barocke Mariensäule, aber irgendwann ist man bei dem Tor angelangt, das zur Kathedrale führt. Diese liegt auf der rechten Seite, geradeaus steht eine Statue des Hl. Johannes Paul II., der 1999 Nitra besucht hat, und links befindet sich das Diözesanmuseum. Da die Kathedrale über Mittag geschlossen war, wurde mir empfohlen, erst das Museum zu besuchen – und das war ein großes Erlebnis, wenn auch nicht unbedingt ein positives. Denn dieses Museum zieht alle Register, um die Geschichte von Nitra schöner und prächtiger darzustellen, als die Quellen es hergeben. Und ein wichtiges Anliegen dabei ist, möglichst von Anfang an den slowakischen Charakter der Stadt zu betonen.

Im Erdgeschoss wird die Geschichte Großmährens und der kyrillomethodianischen Mission präsentiert. In den Schaukästen findet man Facsimilia wichtiger altkirchenslavischer Denkmäler, und zwar wirklich der ganzen Handschriften bzw. Bücher, die sozusagen real vor einem liegen. Im Begleittext steht dann zwar immer im Kleingedruckten, wo die Handschrift liegt, aber es soll eben doch der Eindruck erweckt werden, die Texte hätten etwas mit Nitra zu tun. Dies wird auch dadurch gefördert, dass sich manche Schaukästen mit Nitra beschäftigen (z.B. mit den Befestigungsanlagen, die als „altslowakisch“ bezeichnet werden, und zwar nicht nur im deutschen Text), und dass auch Denkmäler gezeigt werden, in denen slawische Namen belegt sind (wie etwa das Evangelium von Cividale, in dem sich im 8. und 9. Jahrhundert zahlreiche Pilger verewigt haben, darunter auch Slawen). Den Höhepunkt bildete für mich der Schaukasten zu einer Urkunde Ludwigs des Deutschen vom 20. Februar 860, in der dem Fürsten Pribina (im Text heißt er Briuuinus, aber was macht das schon) u.a. die „Slougenzin marcham“ zuspricht. Das ist natürlich die „slawische Mark“, aber jeder gute Slowake erkennt sofort, dass hier zum ersten Mal von Slowaken die Rede ist. Kein Wunder, dass man einer Suche im Internet zwar einen Artikel in der slowakischen Wikipedia zum Thema findet, sonst aber nicht sehr viel.

Im Untergeschoss geht es dann mit einem anderen Thema weiter. Dort sind Teile des Goldschatzes der Kathedrale ausgestellt, und auch nur diese. Die Begleittexte beklagen aber, dass ein Großteil des Goldschatzes verloren gegangen sei. Daran sind natürlich auch die Türken schuld, vor allem aber zwei Bischöfe aus dem 16. Jahrhundert. Der eine habe liturgische Gegenstände unterschlagen, der andere (Františk Thurzo) sei evangelisch geworden und hätte beim Religionswechsel ebenfalls liturgische Gegenstände mitgenommen. Der zweite Fall hat mir natürlich besonders gefallen, denn ich glaube, dass das bei den deutschen Lutheranern auch nicht viel anders war. Bei der neuen Konfession brauchte man ja durchaus auch solche Gegenstände.

Ausstellung mit glagolitischer Beschriftung
Fresko in der Kathedrale

Schwer beeindruckt vom Museum bin ich dann noch in die Kathedrale gegangen, die übrigens immer noch renoviert wird. Sie ist hübsch, aber erstaunlich klein, und alles, was man als Laie identifizieren kann, stammt aus dem Barock, also vermutlich aus der Zeit nach der Türkenherrschaft. Viel interessanter fand ich eine aus mehreren Tafeln bestehende Ausstellung zur großmährischen Zeit in der Eingangshalle, die Tafeln tragen sicherheitshalber auch glagolitische Inschriften, damit jede/r gleich weiß, woran er oder sie ist.

Verfallene Kirche in Nitra

Ich war dann noch kurz in der Stadt, wo es auch verfallene Kirchen und moderne Architektur zu sehen gibt, und bin dann weiter nach Westen gefahren. An der Grenze habe ich wie immer slowakischen Schafskäse gekauft (und muss jetzt dringend daran denken, ihn aufzuessen, bevor er schlecht wird), dann ging es weiter über Uherský Brod, Uherské Hradiště, vorbei an Olmütz bis nach Vysoké Mýto / Hohenmauth. Dort suchte ich etwas länger nach einem Hotel und bin schließlich im „Hotel pod věží“ („Hotel unter dem Turm“), einer netten Unterkunft, die ich mir unbedingt merken muss.

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