21. August 2024: Wilamowice

Von diesem Tag gibt es nicht besonders viel zu berichten, weil ich den ganzen Vormittag im Hotel war, vor allem wegen einer mündlichen Prüfung, die von 10 bis 11 Uhr in digitaler Form stattfand. Vorher musste ich mich vorbereiten, nachher ein bisschen erholen. Und um 13 Uhr war ich dann in Wilamowice mit Tymoteusz Król verabredet. Wir wollten zunächst zusammen zu Mittag essen, in der einzigen Gaststätte der Stadt, und dann wollte er mir das neue Museum der Wilmesauer Kultur zeigen, das Anfang Juli eröffnet wurde.

Obwohl mein letzter Aufenthalt in Wilamowice gar nicht lange zurückliegt (ich war hier Ende Februar), war ich überrascht, wie sich die Bauarbeiten weiterentwickeln. Der Hauptplatz ist zum größten Teil nicht zugänglich, und die Statue des Hl. Józef Bilczewski steht nach wie vor hinter einem Zaun. Nur ein kleines Stück des Platzes vor der Gaststätte Rogowa ist fertig geworden. Dort sind sogar Parkplätze, aber es ist nicht völlig klar, wie man zu ihnen hinkommt. Dafür

Das Mittagessen war sehr nett, und wir haben uns wie immer gut unterhalten. Vor allem habe ich einiges Neue aus Wilamowice erfahren, über den neuen Bürgermeister u.a.m. Aber das will ich hier doch nicht weiter ausbreiten.

Als wir kurz vor 14 Uhr die Gaststätte verließen, regnete es in Strömen, weshalb wir dann mit zwei Autos zu dem Museum fuhren (das aber auch wirklich am Stadtrand liegt). Vorher erzählte mir Tymek noch kurz, dass sich (durch ein Telefonat während des Mittagessens) Nachbarn von ihm angekündigt haben, die auch durch das Museum geführt werden wollen. Ob es mir etwas ausmache, wenn er uns zusammenführt? Ich fand die Idee eher reizvoll, und die Besichtigung war dann auch sehr interessant.

Die anderen Besucher_innen (ein Mann und drei Frauen, zwei von ihnen schon älter) stammten nämlich aus alteingesessenen Wilmesauer Familien und kommentierten daher die Führung mit eigenen Berichten und Erinnerungen – was in diesem Museum auch tatsächlich erwünscht ist. Das Museum ist relativ klein, mit derzeit vier oder fünf Räumen, aber in einem eigenen Gebäude untergebracht. In den Räumen wird erst über die Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner berichtet, wobei Tymek besonderen Wert auf die Feststellung legte, dass den Bewohnern schon sehr früh wichtig war, dass sie weder Deutsche noch Polen sind, obwohl beide große Nachbarn sie immer wieder für sich in Beschlag genommen haben. Und insbesondere die traurige Geschichte im 20. Jahrhundert wird genau und mit Originaldokumenten nachgezeichnet. U.a. hängt in dem Museum das Original der Rede, die 1945 von der Kanzel der Kirche verlesen wurde und in der die Bewohner verpflichtet wurden, nicht mehr ihre Sprache zu verwenden.

Ein weiterer Raum ist den Trachten gewidmet, die uns ganz genau erklärt wurden. So erfuhr ich, dass die Frau von Wilamowice eine viel kompliziertere Tracht hat als die der Nachbarorte, weshalb auch junge Mädchen diese Tracht nicht trugen. Die Anfertigung war viel zu kostspielig, als das man das auch für Kinder gemacht hätte.

Dann ging es um das Handwerk und um einzelne Häuser, da wurden die anderen besonders lebhaft. Tymek erzählte auch von den drei Brüdern Biesik, von denen der älteste (Florian, 1850–1926) die Schriftsprache schuf (und viel in ihr schrieb), während sein Bruder Hermann (1874–1919) das Wilmesauerische als deutschen Dialekt ansah und auch ein Buch darüber verfasste (Wörterbuch der deutschen Mundart von Wilamowice), das aber erst nach seinem Tod erschien. Hermann ärgerte sich so über Florian, dass er seinen Nachnamen änderte (er hieß dann Hermann Mojmir), und Florian hat sich so über Hermann geärgert, dass er ihn in seinem Dante nachahmenden Poem Óf jer wełt in der Hölle ansiedelte. Es gab noch einen dritten Bruder, der Bürgermeister von Wilamowice war, aber über den gibt es wohl nicht viel zu berichten.

Sehr schön fand ich, dass das ganze Museum zweisprachig beschriftet ist, und zwar immer Polnisch und Wilmesauerisch. Die Direktorin (eine langjährige Mitkämpferin von Tymek) sprach mich auch gleich auf Wilmesauerisch an (und ich habe den einen Satz auch verstanden). Und da gab es auch noch einen Jugendlichen, der im Museum ein Praktikum macht, er trugt ein Schild, auf dem Wolontarjusz und Frȧjater stand. Frȧj bedeutet ‚frei‘ und ater Arbeiter, so habe ich wieder etwas gelernt.

Am Schluss der Ausstellung war noch eine Collage mit Fotos all derjenigen, die seit 1989 über das Wilmesauerische informiert haben, sich haben aufzeichnen lassen usw. An ihrer Spitze steht Anna Fox (geboren 1922), die immer noch aktiv ist, aber auch viele andere haben beigetragen, sie leben zum größten Teil nicht mehr.

Leider habe ich auch nur wenige Bilder gemacht, aber ich werde das Museum sicher noch öfter besuchen.