Heute morgen bin ich etwas später aus Sânnicolau Mare weggekommen – zumindest nach der in Rumänien herrschenden osteuropäischen Zeit. Auch dieser Ort hat seine Reize, u.a. ist dort Bártok Béla geboren. Statt seines Denkmals, das ich wenig persönlich fand, habe ich aber lieber ein serbisches Bauernhaus fotografiert (s. rechts).
Ich fuhr aber schnell nach Stár Bišenov und fotografierte einige Gebäude und Aufschriften, die ich gestern noch nicht gesehen hatte, und auch zwei schöne alte Fassaden, die von besseren Zeiten zeugen. Sogar Mülltonnen, die in Banater Bulgarisch beschriftet sind, gibt es!
Diesmal war auch die katholische Kirche geöffnet, sodass ich dort einige Fotos von Gedenktafeln machen konnte. U.a. wird dort an den Bischof Nikola Stanislávič erinnert, der die Vorfahren der heutigen Banater Bulgaren 1738 in diese Gegend geführt hat. – Mit der Vorgeschichte der Banater Bulgaren muss ich mich noch einmal etwas beschäftigen. Die Behauptung, sie seien die Nachfahren der Sekte der Paulikianer (sie nennen sich selbst palćene), erscheint mir leicht unwahrscheinlich, nachdem ich gelesen habe, dass letztere 878 ausgerottet wurden…

Es war aber gar nicht so einfach, nach Serbien zu kommen. Gut, ich muss zugeben, die erste Irrfahrt wäre vermeidbar gewesen, wenn ich noch einmal nachgeschaut hätte, wie die Grenzstation heißt. Weil ich wusste, dass die Grenze nahe ist, bin ich einfach dem ersten Schild nachgefahren, war auch bald an der Grenze und habe mich nur ziemlich gewundert, dass man dort die ungarische Autobahngebühr bezahlen sollte… So bin ich zwischen den beiden Grenzstationen umgekehrt und noch einmal nach Rumänien eingereist, ohne Ungarn betreten zu haben. Dann habe ich lieber die Karte etwas genauer konsultiert und bin nach Süden gefahren, wobei dem Ort Comloşu Mare ein Übergang sein sollte. Dieser Übergang schaute aber, nachdem ich den Wegweiser zur Grenze fast übersehen hatte, ebenso aus wie gestern. Und das bei einer ordentlichen Straße, die sogar eine Nummer hat.
Die Straßen sind besser als in Rumänien, dafür gibt es erstaunlich viele Ampeln und Stoppschilder. Und über die Qualität der Straßenschilder kann man streiten. Aber jedesmal wenn ich kurz vor der endgültigen Verzweiflung stand, tauchte doch noch der Ort, in den ich wollte, auf den Schildern auf. Die erste größere Stadt, durch die ich fuhr, war Kikinda, das sich schlecht einer Nationalität zuordnen lässt. Rusko selo klang verheißungsvoll, hieß aber mit dem Untertitel auf einmal Orozháza. Und das martialisch klingende Srbobran kann man auch Szenttamás nennen. Hier habe ich mir einen Sprudel gekauft und mich bei der Verkäuferin entschuldigt, ich hätte nur ungarisches Kleingeld – worauf sie sofort ins Ungarische wechselte. Dann ging es wieder zurück ins Serbische und am Schluss verabschiedete sie mich auf Deutsch.
Kurz nach 15 Uhr war ich in Ruski Kerestur eingetroffen, meinem heutigen Ziel und dem Zentrum der sog. Bačka-Russinen, eines kleinen Völkchens, das aus der Ostslowakei zugewandert ist und seit etwa hundert Jahren fröhlich seinen ostslowakisch-ukrainischen Übergangsdialekt als Schriftsprache verwendet. Inzwischen mit eigenen Schulen, einem eigenen (griechisch-katholischen) Bischof u.a.m. Im Ortszentrum ist ein nettes Café namens Mala oaza, da habe ich mich erstmal niedergelassen, meine Mails gelesen (das Café hat selbstverständlich WLAN!), ein alkoholfreies Bier der Marke Jelen bestellt und der Bevölkerung gelauscht. Die Gespräche wurden großenteils auf Russinisch geführt, gut zu erkennen am Pänultima-Akzent, aber man hört auch öfter Serbisch, dieses wiederum zu erkennen an den langen Vokalen und dem musikalischen Akzent.


