31. August 2011: Ostböhmische Impressionen

Dieser Beitrag kommt deutlich später als eigentlich geplant – er bezieht sich auf Erlebnisse am Freitag und Samstag der letzten Woche (27. und 28. August). Aber leider schreibe ich doch nicht so schnell, wie ich eigentlich möchte, manche Erlebnisse müssen sich ja auch erst setzen. Außerdem ist es teilweise ja auch besser, wenn man sich nicht mehr an alle Details erinnert…

Wie dem auch sei, ich bin jedenfalls am Freitag letzter Woche vom Ritter Hagen aufgebrochen, um mir auf der tschechischen Seite der Grenze eine Unterkunft zu suchen. So fuhr ich also bei strahlendem Sonnenschein nach Böhmen hinüber. Da ich durchaus noch Ziele in der Grafschaft Glatz besichtigen wollte, hatte ich mir überlegt, dass ich möglichst etwas in Grenznähe finden sollte, und begann also in der Ortschaft Machov, die am nächsten zum Böhmischen Winkel liegt und in die, wie in der Literatur mehrfach berichtet, 1945/46 viele Glatzer Tschechen übergesiedelt sind. Ich war aber nicht erfolgreich, Machov ist zwar ein sehr schöner Ort mit herausgeputzten Häusern, aber nicht sehr lebendig. Vermutlich wird er heute vor allem von Wochenendpendlern aus Königgrätz, Prag und anderswo genutzt – Hotels oder Pensionen gibt es aber nicht (oder sie sind gut versteckt).

So fuhr ich also nach Hronov weiter und parkte auf dem Hauptplatz, gegenüber vom Jirásek-Theater. Alois Jirásek ist einer der großen Söhne der Stadt, auf andere (wie etwa Egon Hostovský und Josef Čapek) scheint man nicht hinweisen zu müssen. Am Hauptplatz von Hronov stand dann auch ein imposantes Gebäude mit der Aufschrift Hotel (s. Bild). Ich war davon ganz angetan, ging erst in das angegliederte Café (mit WLAN!) und fragte dann nach einem Zimmer. Der Kellner reagierte ganz erschrocken, sie hätten doch kein Hotel, die Aufschrift sei alt und das Haus gehöre sowieso der Stadt. Erst da merkte ich, dass das Café (und ein Restaurant) nicht nur Radnice (d.h. Rathaus) heißen, sondern sich auch im Rathaus befinden. Obwohl mir Hronov sehr sympathisch war (u.a. wegen des WLAN), musste ich also weiterfahren. Bei späteren Besuchen habe ich noch Pensionen entdeckt, aber an abgelegenden Stellen, außerdem gibt es anderthalb Kilometer vor der Stadt noch ein Prunkhotel, aber das hätte mir ohnehin nicht gefallen.

Also weiter nach Červený kostel nad Teplicí, auch das wieder ein schönes Städtchem mit einer roten Kirche (wie der Name sagt). Auch hier fand ich wieder ein Hotel, das dieshalb aber im ersten Stock über einer Sparkasse. Erst nach längerer Suche fand ich den Eingang und klingelte, aber der Inhaber ist richtig erschrocken, dass ich eine Übernachtung für denselben Tag wollte, und meinte, es sei alles ausgebucht. Auch wenn das vermutlich gestimmt hat, habe ich ein Muster wiedererkannt, das ich in der Tschechischen Republik schon öfter erlebt habe. Am besten ist es, wenn man irgendwo in der Einöde an einem Hotel klingelt und nach Unterkunft fragt und die Dame an der Rezeption erstaunt ist, dass man noch am gleichen Tag übernachten will. So als ob regelmäßig Leute in die Einöde kämen, um sich nach Übernachtungen für das nächste Jahr zu erkundigen…

Jetzt musste ich doch etwas weiter von der Grenze wegfahren und begab mich nach Police nad Metují, einer Stadt, die schon dadurch interessant ist, dass sie immer eine tschechische Mehrheit hatte, obwohl sie zum Braunauer Ländchen gehörte, sie liegt nur 15 km südlich von Braunau/Broumov selbst, getrennt durch ein kleines Gebirge. Auch hier parkte ich auf dem Hauptplatz und lief kurz herum, um dann im Hotel Ostaš zu fragen, in dessen Erdgeschoss eine wenig Vertrauen erweckende Spielhalle liegt. Ich war aber schon etwas genervt und wollte es lieber überall probieren, und die Kellnerin meinte auch, sie hätten Zimmer – allerdings würden sie nicht kochen. Das war ihr sehr wichtig, ich selbst sollte erst später verstehen, warum das so wichtig ist. Die Dame war auch sonst etwas merkwürdig und wollte mir beispielsweise nicht das Zimmer zeigen, sondern hatte Bilder des Zimmers zur Hand – ich habe es trotzdem genommen und war eigentlich ganz zufrieden. Das Zimmer war sehr groß und leer, bis auf drei Betten, einen Schrank und zwei Tische, mehr brauchte ich nicht und bin gerne drei Tage geblieben.

Nachdem die Übernachtungsfrage geklärt war, wollte ich mittagessen. Im Hotel ging das nicht, darauf war ich ja aufmerksam gemacht worden, also suchte ich am Hauptplatz von Police nach einer Gaststätte. Es gab aber keine – da half auch der wunderschöne Wegweister in der Stadtmitte nichts… Ich entdeckte nur ein Café, das mir aber nicht gefiel (es schien dort vor allem Eis zu geben), auf das zweite Café wurde ich erst am nächsten Tag per E-Mail von Stefan Newerkla aufmerksam gemacht, der es von einigen Besuchen kennt und empfehlen kann. Nach kurzer Suche fand ich in einer Seitenstraße eine Schnellgaststätte, die gut besucht war. Dort stellte ich mich auch in die Schlange und  war erst etwas ängstlich, weil alle Leute vor mir an der Schlachtsuppe interessiert waren. Es gab aber auch andere Speisen und sogar fleischloses, ich habe mich für eine Mehlspeise mit Mohn entschieden. Beim Gehen habe ich aber feststellen müssen, dass diese Gaststätte nur tagsüber geöffnet ist, für den Abend musste ich also etwas Neues suchen.

Nachmittags bin dann mit dem Auto nach Žďárky, einem kleinen Ort in der Nähe, gefahren und von dort zu Fuß nach Polen gelaufen, in das Freilichtmuseum von Pstrążna (tschechisch Stroužné, deutsch Straußeney). Unterwegs sah ich das vietnamesische Restaurant „Hanoi“ und war beruhigt, dass es doch noch weitere Restaurants zu geben schien. Als ich dann aber abends gegen 20 Uhr ins Hanoi kam, musste ich erstaunt feststellen, dass die Gaststätte fast leer war. Die Kellnerin ist auch ziemlich erschrocken, dass ich etwas essen wollte, und teilte mit, der Koch sei heute nicht da. So musste ich also weiter suchen.

Man kann nicht behaupten, dass Police ganz ohne Gaststätten sei, aber beispielsweise die „Murphy Bar“ hat mich nicht gelockt, als deren Öffnungszeiten 17-5 Uhr angegeben waren. Letztlich wurde ich in einer weiteren Nebenstraße fündig, in der Sportgaststätte Post. Laut Werbung kann man dort Sportveranstaltungen ansehen, das tat an diesem Abend aber niemand. Die Gaststätte war halbvoll, an drei Tischen saßen Familien und tranken Bier. Ich fragte vorsichtig, ob es etwas zu essen gebe, der Wirt verwies mich dann auf eine Tafel, auf der alle Essen verzeichnet waren. Das Angebot war nicht schlecht und ich entschied mich für ein Kotlett mit Pilzen. Daraufhin teilte mir der Wirt mit einer Entschuldigung mit, er habe nur Wildschweinkotelett – darüber war ich aber eher froh. Das Essen war sehr gut, die Gesellschaft aber leicht merkwürdig. Ein Herr begann zu singen und teilte allen mit, er sei verrückt (já jsem magor), die Dame neben ihm entpuppte sich als die Wirtin, die wohl abgestellt war, um ihn im Zaum zu halten. Vom Nebentisch klangen sonderbare Gespräche zwischen Mutter und Sohn herüber – der Vater saß apathisch daneben. Insgesamt ein großes Erlebnis…

Am nächsten Tag, dem Samstag hörte ich auf dem Hauptplatz ein Gespräch mit. Offenbar hatte eine (tschechische) Touristin einen Einheimischen gefragt, welches Restaurant er empfehle, und er redete nun ganz begeistert von der Gaststätte „Sokolovna“. Er redete sich ganz in Rage und sagte dann beispielsweise, andere Gaststätten sähen nach außen viel besser aus und machten für sich Werbung, aber das ändere nichts daran, dass das Essen in der „Sokolovna“ am besten sei. Fast hätte ich ihn gefragt, welche anderen Gaststätte er denn meine. Ich bin dann am Samstag lieber in Polen essen gegangen, in der „Karczma u Kowala“ in Wambierzyce, die sich rühmt, altpolnische Küche zu bieten. Dort habe ich u.a. einen kapuśniak z prażokami gegessen, eine Kohlsuppe mit Bratkartoffeln (?) – die schmeckte gut, aber noch mehr genossen habe ich das schöne Dialektwort prażok!

Am Sonntag war ich auf dem Hausberg von Police nad Metují, dem Ostaš, und habe auch in einer Ausflugsgaststätte etwas gegessen, abends wollte ich dann endlich die tolle „Sokolovna“ ausprobieren. Sie hat aber am Sonntag Ruhetag (ist ja auch klar, wer will schon am Sonntagabend essen gehen…). So bin ich wieder zum Restaurant Hanoi gegangen, in der Hoffnung, dass der Koch vielleicht heute mal da ist. Dort war es richtig voll, an einem großen runden Tisch saßen mehrere  Familien, die meisten Tschech/innen, aber auch eine tschechisch-vietnamesisches Paar. An einem zweiten Tisch saß eine tschechische Familie, am dritten Tisch einige junge Vietnamesen. Als ich feststellte, dass niemand etwas aß, wurde ich ängstlich, aber die Kellnerin bestätigte mir, dass ich etwas zu essen bestellen könnte, auch wenn sie nicht besonders erfreut schien. Ich habe dann Krabben mit Reis bestellt, das Essen war vorzüglich, wenn auch eine erstaunlich kleine Portion. Aber die Gaststätte war ja offenbar nicht zum Essen da… Später kam noch ein Mann mit zwei kleinen Jungen, die bekamen dann Pommes Frittes, das war aber auch wirklich alles.

Vielleicht fragt sich jetzt so manche Leserin oder so mancher Leser, warum ich eigentlich so detailliert über die Hotels und Restaurants berichte. Ich muss gestehen, dass ich eigentlich einen Vergleich der tschechischen und der polnischen Hotel- und Restaurantkultur geplant hatte, aber zu dem bin ich jetzt doch nicht in der Lage, weil ich zu viele Details beschrieben habe. Die Moral von der Geschichte sollte jedenfalls sein, dass Hotels und Restaurants in beiden Ländern ihre Reize haben, dass  diese Reize aber nur in Polen offen sichtbar sind, während sie sich in Tschechien dem uneingeweihten Betrachter verbergen und auch für den eingeweihten Besucher nur mit Mühen greifbar sind, jedenfalls hier an der Peripherie Böhmens.

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