7. August: Suwałki – Wigry – Krasnogruda

Am Montag habe ich mich um ein reduziertes und eher gemütliches Programm bemüht. In der Früh bin ich zunächst nach Suwałki gefahren und habe Einkäufe gemacht. Insbesondere habe ich mir einen neuen USB-Stick gekauft, was gar nicht so einfach war, weil ich nicht wusste, wie das auf Polnisch heißt. Die Damen in dem Schreibwarengeschäft haben meinen Beschreibungen zwar geduldig zugehört, aber dann gefolgert, ich bräuchte ein Kabel, und erst nach einigem Hin und Her habe ich dann ein „Pendrive“ erwerben können. Schon irgendwo toll, dass weder stick noch flash noch USB bekannt waren.
Nach dem Einkauf saß ich längere Zeit auf dem Hauptplatz von Suwałki, wo es sogar ein öffentliches WLAN gibt, und habe eine Folge des Blogs und viele E-Mails geschrieben. Dann fuhr ich nach Wigry, in das ehemalige Kamaldulenserkloster, das 1667 von Johann II. Kasimir Wasa gegründet wurde und dann bis 1805 zu den wichtigsten Akteuren der Region gehörte. Die Schließung des Klosters war zunächst noch nicht so schlimm, weil 1799 in Wigry ein Bistum eingerichtet worden war. Der Bischofssitz wurde aber 1818 nach Sejny verlegt (und von dort 1925 nach Łomża) – und seitdem ist, vorsichtig ausgedrückt, in Wigry nichts mehr los. Das Klostergebäude diente verschiedenen Zwecken, und erst 1999, als Papst Johannes Paul II. zu Besuch kam, begann sich wieder etwas zu rühren. Inzwischen kümmert sich ein kirchlicher Verein um das Gelände, hat ein Restaurant und Gästezimmer eingerichtet und macht immer mehr Teile zugänglich, gewissermaßen als Museum.
Das Kloster liegt hoch ansteigend über einem See, wo sich Tourist_innen tummeln, wo man campen und Boot fahren kann. Im Kloster selbst gibt es wie gesagt ein Restaurant, das allerdings wegen Restaurierungsarbeiten in die engen Räume eines ebenfalls vorhandenen Cafés verlegt ist, ferner einen Aussichtsturm, den ich ausnahmsweise mal bestiegen habe (der Blick ist wirklich faszinierend!), die Kirche mit Krypta, wo man die Gräber der ehemaligen Mönche besichtigen kann, und natürlich die „Päpstliche Apartments“ (apartamenty papieskie).
Die Krypta ist etwas grauslich, weil einem dort ganz genau die Begräbniszeremonie der Kamaldulenser beschrieben wird (sogar mit Bild), die nämlich auf einem Holzbrett liegend in Nischen in der Wand eingemauert werden. Eigentlich sieht man ja nur die zugemauerten Nischen, aber 1945 wurden drei von ihnen von sowjetischen Soldaten aufgebrochen, auf der Suche nach Grabbeigaben. Diese Schandtat wird auf einer Tafel geschildert und beklagt, die drei Nischen sind aber immer noch offen, damit jede_r sich von der Schandtat überzeugen und Skelette von Mönchen betrachten kann…
Die Päpstlichen Appartments umfassen drei Räume, den Raum, wo der Papst gebetet hat (hier gibt es sogar eine Reliquie, ich konnte nur nicht genau erkennen, aus was sie besteht), einer kleinen Bibliothek und dem Schlafzimmer. Wirklich umwerfend fand ich das alles nicht, aber wenn es ein Anziehungspunkt bei der Tourismuswerbung sein sollte (da bin ich mir gar nicht so sicher), sei es ihnen gegönnt.
Ich war auch im Restaurant bzw. Café und habe „kartacze“, die nächste regionale Spezialität, gegessen, das sind Knödel aus Kartoffelteig, die mit Fleisch gefüllt sind. Bzw. vielleicht auch mit etwas anderem, denn eine Vegetarierin hatte sie mir empfohlen. Aber in Wigry gab es sie nur mit Fleisch… Dann bin ich noch mal ins Hotel gefahren und abends nach Krasnogruda.
Dort hätte ich Krzysztof Czyżewski fast noch verpasst, weil ich vor dem Haus auf ihn wartete und er im Café, aber zum Glück hat es doch noch geklappt. Ich habe ihm kurz erklärt, wer ich bin und was wir in Tübingen so alles treiben (einschließlich eines Hinweises auf unseren weltbekannten deutsch-polnischen Studiengang), und er hat mir skizziert, wo man zusammenarbeiten könnte. In Krasnogruda gibt es jeden Sommer vielfältige kulturelle Aktivitäten, hier wären auch Praktika denkbar, und Sommerschulen gibt es auch. Er selbst kooperiert mit der Universität Bologna, wo er auch Kurse abhält, allerdings in Politikwissenschaften – das erschwert die Anknüpfung etwas, weil wir selbst Slavist_innen sind und die Tübinger Politikwissenschaftler_innen sich nicht so besonders für Ostmitteleuropa interessieren… Aber ich werde nach der Rückkehr berichten und überlegen, ob nicht doch eine Kooperation mit diesem so interessanten und wichtigen Projekt möglich ist.

Dann war ich noch bei der Vorführung des Dokumentarfilms Wiera Gran, in dem es um eine berühmte jüdische Sängerin geht, die schon in den dreißiger Jahren große Erfolge feierte, dann mit viel Glück überlebt hat und den Rest ihres Lebens immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert wurde, mit den Nazis kollaboriert zu haben. Und diese Vorwürfe haben ihr Leben zerstört, obwohl sie vor Gericht immer wieder Recht bekommen hat. Ich kannte das Thema, weil mal in Tübingen eine Lesung von Agata Tuszyńska hatten, die ein Buch über Wiera Gran geschrieben und auch am Film mitgewirkt hat. Der Film ist sehr gut gemacht, aber auch niederdrückend. Ich habe mich danach nur kurz von Krzysztof Czyżewski und seiner Frau verabschiedet und bin nach Suwałki zurückgefahren.

Kloster von Wigry

Treppen zum Kloster
Blick vom Turm auf die Klosterkirche

Eingang zu den „Papstgemächern“

1 Kommentar

  • Da musste ich natürlich gleich nachsehen, was Wikipedia zu diesen Knödeln sagt:
    Cepelinai (weißrussisch Цэпеліны, litauisch für „Zeppeline“) oder Didžkukuliai („große Klöße“) sind mit Hackfleisch oder Quark gefüllte Kartoffelklöße aus Litauen und gehören dort zu den Nationalgerichten. Nur die polnische Wikipedia nennt offenbar den tatsächlich deutschen Namen "Keilchen": Kartacz, także cepelin (biał. Цэпеліны, niem. Keilchen) – potrawa regionalna, popularna w północno-wschodniej Polsce.

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