22. August 2024: Bielany – Oppeln/Opole – Oels/Oleśnica

An diesem Tag habe ich am Vormittag Bielany verlassen, um mich zu meinem nächsten Ziel zu begeben, und zwar in die Stadt Oels, die heute auf Polnisch Oleśnica heißt. Warum gerade dorthin, erkläre ich später, will aber hier erwähnen, dass ich in die Richtung gefahren bin, aus der ich nach Bielany gekommen war. Das hatte ich ja schon ganz am Anfang erwähnt, dass meine Route etwas ungewöhnlich ist. Aber irgendwie ließ es sich nicht anders einrichten.

Beim Buchen des Hotels in Oels war mir noch eine merkwürdige Sache passiert. Und zwar wollte ich bei Booking.com ein Hotel in Oels buchen, aber auf der Buchungsbestätigung stand „Klein Oels“. Ich dachte zunächst, das sei ein Vorort, habe dann aber festgestellt, dass Oleśnica Mała etwa 50 km von Oleśnica entfernt liegt. Das fand ich nicht so toll, aber weil es auch in Oleśnica Mała etwas zu sehen gibt, habe ich es hingenommen und dachte mir, dass ich dann einfach am nächsten Tag nach Oels fahre. Später stellte sich aber heraus, dass alles ganz anders war (s.u.).

Von Bielany nach Oels sind es etwa 300 km, und so wollte ich unterwegs Halt machen und eine Stadt besichtigen, in der ich noch nicht war – oder zumindest sehr lange nicht mehr. Meine Wahl fiel auf Oppeln/Opole, wo ich wohl schon war, aber vor sehr langem (d.h. vor dem Jahr 2000). Oppeln liegt etwa 160 km von Bielany, also etwas mehr als die Hälfte der Strecke. Ich führe zunächst auf Landstraßen, später auch ein bisschen auf der Autobahn und dann wieder, auf besseren Landstraßen nach Oppeln. Auf der ersten Strecke gab es einige Baustellen und auch Streckenabschnitte, die gesperrt waren. Aber das ist nicht wie in Deutschland, wo man gar nicht auf die Straße fahren kann, sondern am Rand steht ein Schild, und man weiß nicht genau, wie man es interpretieren soll. Konkret gab es in der Nähe der Ortschaft Chełm Śląski ein Schild mit Einfahrverbot und einem langen Plakat, auf dem offenbar alle Ausnahmen aufgezählt wurden, also wer unter welchen Umständen doch hineinfahren darf. Etwas zögernd bin ich hineingefahren, und andere Autos folgten mir. Und dann fuhren wir durch eine ziemlich lange Baustelle, was aber niemanden zu stören schien. Manchmal hielten uns Bauarbeiter mit Kellen an und winkten uns etwas später wieder weiter.

Ein Stück vor Oppeln begannen zweisprachige Ortsschilder, hier ist die Gegend, wo die deutsche Minderheit in Polen lebt. In dem Ort Walidrogi, der auf Deutsch Schulenburg heißt, gab es sogar eine Gaststätte mit zwei Namen, Myśliwska und Waldesruh, was insofern lustig ist, weil Myśliwska ‚Jägergaststätte‘ heißt, die beiden Namen also nichts miteinander zu tun haben. Leider war die Gaststätte geschlossen und ich konnte erst in Oppeln etwas zu Mittag essen.

In Oppeln angekommen wollte ich lieber nicht in die Altstadt hineinfahren, also habe ich auf der anderen Seite der Oder geparkt, übrigens direkt vor dem Instytut Śląski (was immer das genau sein mag). Dann bin ich über eine Fußgängerbrücke auf die andere Seite der Oder gegangen, wo ein kleiner Park ist. In ihm gab es eine naleśnikarnia, also eine Gaststätte, wo man Pfannkuchen essen kann, dort habe ich mich in eine lange Schlange gestellt und schließlich sehr gute Pfannkuchen mit Käse und Spinat bekommen.

Danach habe ich die Altstadt besucht und war zunächst in der Franziskanerkirche, einer gotischen Kirche, die aber wie üblich oft umgebaut wurde. Und natürlich sind dort wie in Schlesien üblich mehrere Piasten begraben, konkret drei Bolkos, also Bolko I. von Oppeln († 1313), Bolko II. († 1356), Bolko III. († 1382), letzterer sogar mit Ehefrau Anna († 1378). Dann war ich am Rathaus und der Kathedrale, in die ich aber nicht hineinkonnte, deshalb habe ich ein weiteres Grab, nämlich das des letzten Herzogs von Oppeln-Ratibor, verpasst. Das war Johann II., der 1532 gestorben ist. Nach seinem Tod fiel das Herzogtum an die Habsburger… Auf dem Rückweg zum Auto habe ich auf der anderen Seite der Oder noch den Piastenturm gesehen, den letzten Rest des 1928–30 abgerissenen Schlosses, an dessen Stelle neue Verwaltungsbauten getreten sind.

Und dann machte ich mich auf den Weg nach Klein-Oels. Mein Navi meinte, ich sollte über Namslau/Namysłów fahren, und das hätte ich ja auch gerne getan. Nur auf einmal war die Straße nach Namslau gesperrt und ich musste 15 km zurückfahren, bis kurz vor Oppeln. Dann bin ich einer anderen Route in Richtung Brieg/Brzeg gefolgt, wohlwissend, dass ich diese Stadt diesmal nicht besuchen kann (dort war ich aber schon öfter).

Die Strecke war schön, und ich kam gut voran. Und irgendwann hatte ich die Idee, ich könnte beim Navi doch die Adresse des Hotels eingeben, damit ich dann gleich dorthin komme. Das habe ich getan, aber auf wundersame Weise war die Strecke auf einmal deutlich länger. Das konnte ich gar nicht verstehen und bin mehrfach zwischen beiden Adressen hin- und hergewechselt, bis ich dann endlich verstanden habe, dass das Hotel eben doch in Oels liegt (wo ich hatte reservieren wollen) und nicht in Klein-Oels. Später im Hotel habe ich die Unterlagen noch einmal durchgesehen und habe festgestellt, dass bei Booking.com der deutsche Name von Oleśnica Klein-Oels lautet, warum auch immer. Wenn ich wieder in Tübingen bin, werde ich ihnen schreiben und bitten, das zu korrigieren.

Nun ist es an der Zeit zu erklären, warum ich unbedingt nach Oels fahren wollte. Oels ist seit langem einer meiner „Sehnsuchtsorte“, und damit hat es folgende Bewandtnis. Ich war irgendwann um das Jahr 2000 herum mal in Oleśnica, wo ich nur kurz haltmachen wollte. Ich war am Eingang zur Burg und in der Schlosskirche, und dort entdeckte ich den Hinweis, dass die „krypta wirtemberska“ geschlossen sei, also die Gruft der Württemberger. Nun bin ich zwar kein gebürtiger Württemberger, aber immerhin seit über dreißig Jahren dort ansässig, und so fand ich diese Mitteilung wirklich „elektrisierend“. Ich habe dann erfahren, dass Oels von 1649 bis 1792 von einer Seitenlinie der Württemberger regiert wurde, die dort auch einige Spuren hinterlassen haben. Und ich beschloss, mir irgendwann diese Stadt genauer anzusehen. Der Wunsch geriet angesichts anderer Reisen bald in Vergessenheit, aber vor ein paar Jahren ist er mir wieder eingefallen. Ich habe in mehreren Sommern versucht, ein Hotel in Oels zu reservieren, immer vergebens, und heuer hat es endlich geklappt.

Ich war gegen 16 Uhr in Oels und konnte deshalb schon einen ersten Erkundungsspaziergang machen. Als erstes stieß ich auf eine orthodoxe Kirche, die aber natürlich früher mal evangelisch war, dann auf eine Kirche der Pfingstgemeinde (ebenfalls früher evangelisch) und kam dann zur prächtigen Schlosskirche St. Johannes. In sie konnte ich nicht hineingehen, weil gerade Gottesdienst war, aber ich konnte wenigstens die Aushänge studieren, auf denen freilich die Gruft nicht vorkam. Da ahnte ich schon, dass es schwierig sein würde, sie zu besuchen. Aber mit dem, was ich am folgenden Tag erreicht habe, kann ich eigentlich zufrieden sein (der Bericht kommt später).

Das Schloss schloss gerade, als ich dort ankam, aber ich konnte immerhin noch nachschauen, wann es wieder öffnet, nämlich um 10 Uhr. Und ich nahm mir vor, am nächsten Tag pünktlich um 10 Uhr da zu sein.

Nach einem gelungenen Tag gestaltete sich das Abendessen eher schwierig. In der Altstadt von Oels gibt es nämlich keine „normalen“ Gaststätten, sondern nur Kebab und Sushi – von beiden eine ganze Menge. Sushi kommt für mich nicht in Frage, Kebab eigentlich auch nicht, obwohl selbst in Polen immer auch etwas Vegetarisches angeboten wird. Ich hatte nur keine große Lust, mich in eine Schlange halbwüchsiger männlicher Jugendlicher einzureihen. Mit Hilfe von Google Maps habe ich dann aber die Gaststätte Dang Khoi gefunden, die sich als bar orientalny bezeichnet, aber normales vietnamesisches Essen anbot. Mit der Kellnerin konnte ich mich zwar nur verständigen, indem wir vom Polnischen zur Zeichensprache übergingen, aber das Essen war trotzdem sehr gut.