Meine Reise neigt sich dem Ende zu. Weil ich am Samstagabend wieder in Tübingen sein möchte, muss ich die beiden nächsten Tage viel Auto fahren und kann nur selten Halt machen. So habe ich mir ein paar Orte ausgesucht, die ich gerne sehen will, und besuche auch dort nur einige Denkmäler.
Morgens habe ich mich nach dem Frühstück auf den Weg zum Denkmal der Schlacht von Mohács gemacht. Diese Schlacht, in der 1526 Süleiman der Prächtige den jungen ungarischen König Ludwig II. schlug, gilt als der Anfang des türkischen Besetzung Ungarns. Für den Bohemisten ist fast wichtig, dass Ludwig II. auch König von Böhmen war und nach ihm der Habsburger Ferdinand I. gewählt wurde – so begann die fast 400 Jahre dauernde Herrschaft der Habsburger in den Böhmischen Ländern. In der Gedenkstätte ist davon freilich nicht die Rede, diese konzentriert sich ganz auf den ungarischen Aspekt.
So richtig einfach war die Gedenkstätte nicht zu finden. Woher soll man auch wissen, dass das Ding Törtenélmi Emlékhely (Historische Gedenkstätte) heißt. Sehr hilfreich war aber eine deutsche Informationstafel im Ort selbst, auf der ich staunend den folgenden Satz gelesen habe: „Das Dorf hebt sich mit seinem fasten lauten Ungartum von den sich in der Umgebung befindenden Siedlungen mit deutscher Bevölkerung hervor“.
Das Museum ist gut gemacht, mit Grabungsfunden und Filmen, die es auch mit englischem Text gibt. Etwas störend war, dass im Raum zwei englische Filme gleichzeitig liefen, wovon ich den einen mit Kopfhörer anhören konnte, mit dem anderen als Hintergrundmusik. Historienfilme mag ich ja eigentlich nicht, aber wenigstens wurde der Verlauf der Schlacht gut erklärt. Und die Inszenierung des zweiten Films – mit schmutzigem Rand – lässt sich vielleicht ungarische Schulkinder glauben, dass der Film wirklich 1526 gedreht wurde…
Von Mohács bin ich dann nach Pécs weitergefahren. Diese wunderschöne Stadt liegt an einem Berg und hat viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Aus Zeitgründen habe ich mich auf die Gazi-Khassim-Moschee und den Dom beschränkt. Die Mosche steht an der Stelle einer mittelalterlichen Kirche und wurde nach der Befreiung von den Türken wieder zu einer Kirche – in der sich osmanische Motive mit christlichen mischen.
Den Dom habe ich nur mit Mühe anhand des Stadtplans gefunden, nur um dann festzustellen, dass ich mein Auto nur wenige Meter entfernt geparkt hatte… Der Dom selbst ist im 19. Jahrhundert romanisch restauriert worden und wirkt vor allem monumental. Am besten hat mir noch die Unterkirche gefallen, in der der erste ungarische Dichter Janus Pannonius begraben ist (mit einer schönen lateinischen Grabinschrift). Die Reliefe, die auf dem Weg zur Unterkirchen zu sehen sind, sollen alt sein, ganz überzeugt hat mich das aber nicht. Vielleicht hat man sie auch nur zu gut gereinigt…
Um so beeindruckter war ich dann aber von den frühchristlichen Gräbern, die man in den letzten Jahren in der Nähe des Doms ausgegraben hat. Das für sie errichtete Museum ist auch etwas überdimensioniert, aber auch die Gräber sind erstaunlich groß. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass es um wohlhabende Familien gegangen sein dürfte, fragt man sich schon, warum die frühen Christen so viel Platz für ihre Gräber in Anspruch nehmen durften. Die Grabmalereien sind leider zum Teil verblasst, und natürlich darf man nicht in die Gräber hinein, man kann sie aber auf drei Stockwerken von außen besichtigen.
In Pécs bin ich um 13 Uhr aufgebrochen und durch die Mittagshitze nach Westen gefahren. Meistens auf großen Straßen, wo man sich orientiert, manchmal auf kleineren. Nach Kaposvár habe ich mich ziemlich verfahren, offenbar in einem Naturschutzgebiet im Süden der Stadt, habe den Weg heraus aber doch wieder gefunden. Am schönsten fand ich den Moment, an dem ich plötzlich in einem Dorf namens Dada wiederfand, das obendrein nicht im Autoatlas verzeichnet war – vielleicht war es ja auch nur eine dadaistische Fata Morgana.
Als ich mich kurz vor 16 Uhr dem Ort Nagykanisza näherte, bin ich nach Norden in Richtung des Plattensees abgebogen. Den wollte ich zwar vermeiden, aber mich interessierte der Kleine Plattensee (Kis-Balaton) mit der Ortschaft Zalavár, denn dort vermutet man Блатьнь градъ alias Mosapurc, den Sitz des legendären und allen Besucher/innen meiner Altkirchenslavisch-Kurse bekannten Fürsten Kocьlь, bei dem Kyrill und Method 867 auf ihrer Reise zum Papst Station gemacht haben. Heute ist hier ein Naturschutzgebiet mit seltenen Vögeln und Pflanzen, bei Grabungen in den letzten Jahren hat man aber auch Überreste von Bauwerken gefunden.
An der Straße ist eine Gedenkstätte für Kyrill und Method ausgeschildert, diese ist recht schlicht, aber immerhin mit einer kirchenslavischen Inschrift. Dahinter steht eine moderne Holzkirche, in der für die Schönheiten der Gegend geworben wird. Ein junger Mann, der dort die Aufsicht führte, verwies mich in das Museum, das auch noch geöffnet hatte. Als ich den Eintritt bezahlt hatte, wurde ich in einen Filmvorführraum abgeführt – auf meinen Einwand, ich könne kein Ungarisch, meinte der Museumsangestellte, der Film bestehe auch nur aus Bildern und Musik. Es waren lauter Impressionen aus dem Naturschutzgebiet, wahrscheinlich gedacht zur Entspannung, ich hatte eher Angst, dass ich einschlafen könnte. Danach durfte ich das Museum anschauen, in dem sich Naturschutz und Grabungen sonderbar vermischen. Beeindruckender war die Grabungen, ebenfalls gut erläutert, und mit Schauer stand ich am Altar, an dem des Hl. Hadrian gedacht wird, der hier der Überlieferung nach begraben war.
Von Zalavár aus bin ich zügig in Richtung der österreichischen Grenze gefahren, nach Szentgotthárd, dem Zentrum der slowenischen Minderheit in Ungarn. Da ich sehr schlecht Slowenisch kann, will ich diese Minderheit eigentlich aussparen, schon beim Abendessen holte sie mich aber ein. Am Nebentisch saß nämlich ein Ehepaar und sprach in der merkwürdigen südslawischen Sprache, bei der es sich jedenfalls nicht um Standardslowenisch gehandelt hat (das spricht allerdings auch in Slowenien kaum jemand).
Und morgen geht es dann von hier zurück nach Tübingen.