24. August 2024: Von Oels/Oleśnica nach Nowy Sącz

 

Von diesem Tag, einem Samstag, gibt es eher wenig zu berichten. Denn ich bin die meiste Zeit im Auto gesessen, auf dem Weg von Oels im Westen nach Nowy Sącz im Osten. Die Strecke ist ca. 430 km lang, zwar auf guten Straßen, aber eben auch auf Straßen mit viel Verkehr.

Bald nach der Abfahrt stellte ich überrascht fest, dass mein Navi mich nach Westen, in Richtung Breslau, lenken wollte. Dorthin wollte ich aber wirklich nicht, habe die Autobahn verlassen und erst mit dem Navi und dann mit dem Autoatlas nach Alternativen gesucht – die es faktisch nicht gab. Also bin ich auf die Autobahn zurückgekehrt, habe Breslau im Westen (!) umrundet und fuhr dann weiter in Richtung Katowice und Krakau.

Auf der gesamten Fahrt hatte ich eigentlich nur ein besonderes Erlebnis, und das hing mit dem Thema Autobahngebühren zusammen. Bekanntlich muss man in den mittel- und osteuropäischen Ländern, in die ich meistens reise, also in Tschechien, der Slowakei und Ungarn, Autobahngebühren bezahlen. Früher geschah das in der Form, dass an einer Tankstelle eine Vignette kaufte, inzwischen haben alle Länder auf digitale Vignetten umgestellt, die man sich auch im Internet beschaffen kann. In Polen sieht das System etwas anders aus, dort gibt es an den Autobahnen Mautstellen, wo man jeweils für eine bestimmte Strecke zahlen muss bzw. musste. Denn etwa seit zwei Jahren waren dort, wo ich unterwegs war, die Mautstellen nicht besetzt und man konnte einfach weiterfahren. So war es auch in diesem Jahr, jedenfalls in Nieder- und Oberschlesien. An den Mautstellen hängen auch Plakate, warum das so ist, aber die kann man schlecht lesen, wenn man durchfährt. Insgesamt scheint es aber so zu sein, dass in der Wojewodschaft Niederschlesien (Dolny Śląsk) die Gebühren aufgehoben wurden.

Als ich an der Autobahnraststätte Góra Św. Anny (deutsch St. Annaberg) eine kleine Pause machte, kam eine Frau auf mich zu und fragte mich, wo man Vignetten kaufen kann. Und ich habe ihr im vollen Bewusstsein meines Wissens erzählt, es würden keine Gebühren mehr erhoben. Die Strafe folgte auf dem Fuße, denn gar nicht so viel weiter, jedenfalls noch vor Krakau, kam ich an eine Mautstelle, vor der sich auf mehreren Spuren lange Schlangen bildeten. Als ich mich den Schranken näherte, die diesmal wirklich alle heruntergelassen waren, stellte ich fest, dass es zwei Symbole gab, ein grünes und ein orangenes. Wie waren die zu verstehen? Nach kurzem Nachdenken war mir klar, dass das grüne Symbol bedeuten muss, dass man durchfahren kann, weil man schon eine Vignette hat (die vermutlich nur digital existiert), während man da, wo es orange leuchtet, anhalten muss und eine Vignette kaufen kann. Aber es war natürlich umgekehrt, warum auch immer. Als ich zur Schranke kam und die Vignette bezahlen wollte, wurde ich von einer Dame mittleren Alters unfreundlich angeredet, dass ich hier nicht durchfahren könnte. Ich habe dann gestottert, dass ich das nicht gewusst hätte, und habe mir meine Kreditkarte gegeben, mit der ich wider Erwarten wirklich bezahlen konnte. Aber gleich am nächsten Parkplatz bin ich hinausgefahren und habe mich im Internet über polnische Vignetten informiert. Diese kann man mit dem Programm Autopay kaufen und bezahlen, das habe ich dann gleich brav installiert. Und dann habe ich herausgefunden, dass es in ganz Polen nur zwei Strecken gibt, für die man etwas zahlen muss – auf der einen davon befand ich mich gerade.

Irgendwann war ich auch an Krakau vorbei und näherte mich der Stelle, an der man von der Autobahn nach Süden in Richtung Nowy Sącz, wo ich gegen 17 Uhr eintreffen sollte. Da fiel mir ein, dass ich ja auch Stary Sącz besuchen möchte, einen kleineren Ort, wo die Hl. Kinga (1224–1292) gewirkt hat und in einem Klarissinnenkloster begraben ist. Dort war ich 2015 schon einmal und habe den Ort als sehr beeindruckend in Erinnerung. Damals habe ich mir auch viele Gedanken über ihr Leben gemacht. Denn sie war die Tochter eines ungarischen Königs, der mit einer byzantinischen Prinzessin verheiratet war, und hat selbst einen polnischen Fürsten geheiratet, Bolesław V. von Kleinpolen (1226-1279), der auch unter dem Namen Bolesław der Schamhaftige bekannt ist. Beide waren sehr fromm und haben von Beginn der Ehe an keusch gelebt, hatten also auch keine Kinder. Und mit ihm sind die kleinpolnischen Piasten ausgestorben… Aber das hat mich weniger beschäftigt als die Frage, wie die beiden eigentlich kommuniziert haben (ihre Muttersprache war vermutlich Ungarisch, seine sicher Polnisch). Diese Frage habe ich 2015 auf Facebook mit Kolleg_innen und Freund_innen diskutiert. Und wir waren uns letztlich einig, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, nämlich dass sie entweder miteinander lateinisch geredet haben – oder gar nicht gesprochen haben. Das war damals offenbar noch üblicher als heute.

Zurück zu Stary Sącz: Weil ich zwei Nächte in Nowy Sącz bleiben wollte und gerne am folgenden Tag das Auto stehen lassen wollte, beschloss ich, erst nach Stary Sącz zu fahren und erst dann ins Hotel. In Stary Sącz hatte ich gewisse Schwierigkeiten, einen Parkplatz in der Nähe des Klosters zu finden, denn es gibt viele Einbahnstraßen. Vermutlich wurden sie mit dem Ziel angelegt, Tourist_innen die Orientierung zu erschweren (so wie man das auch aus Tübingen kennt). So kam ich zunächst an eine Stelle, wo man einen Alter besichtigen kann, an dem Johannes Paul II. Gottesdienst gefeiert hat, als er in Stary Sącz war… Den habe ich aus dem Auto fotografiert, bin noch eine Runde gefahren und habe dann auf dem Hauptplatz geparkt, bei brütender Hitze. Ich bin zum Kloster gelaufen, das ich schön angelegt finde, konnte aber nicht in die Kirche hinein, weil gerade ein Gottesdienst stattfand (beim letzten Besuch kam ich bis kurz vor den Sarg der Hl. Kinga). Die lateinische Warnung, dass man nicht während des Gottesdienstes hinausgehen, habe ich ignoriert, bin zum Auto zurück und bin dann wirklich nach Nowy Sącz gefahren.

Dort habe ich festgestellt, dass ich diesmal ein Hotel ausgesucht habe, das ziemlich weit vom Stadtzentrum entfernt war (über zwei Kilometer). Das Hotel war aber ansonsten sehr gut, und ich hatte jetzt Gelegenheit, noch einen ausführlichen Abendspaziergang zu machen. Hauptsächlich wollte ich nachschauen, wo die evangelische Kirche ist, in die ich am nächsten Tag gehen wollte, aber ich habe noch einiges andere gesehen, so beispielsweise das Café Sjesta (man beachte die Schreibung!). Die Kirche, übrigens eine ehemalige Franziskanerkirche, habe ich auch gefunden, habe auf dem Hauptplatz ein Bier getrunken und ging zurück ins Hotel, wo ich noch recht fürstlich zu Abend gegessen habe.