Ich habe länger überlegt, ob ich meinen Blog wiederaufleben lassen soll, nachdem er im letzten Sommer ein bisschen unrühmlich zu Ende gegangen war. Ich habe damals die Texte mit immer größerer Verspätung und in großem Abstand von den Ereignissen geschrieben und habe den Bericht nicht mehr abgeschlossen, nachdem ich etwas früher als geplant nach Hause gefahren war. Trotzdem wage ich jetzt einen neuen Anlauf, weil ich jetzt auf einer ganz besonderen Reise bin. Ich bin nämlich gestern nach Wilamowice gefahren, um hier heute am diesjährigen Müterśpröhtag teilzunehmen. Bei ihm war ich schon dreimal, 2018, 2019 und 2020, und insbesondere der dritte ist mir in lebhafter Erinnerung, leider aber vor allem wegen der Pandemie, deren Ausbrechen ich auf der Rückfahrt (Anfang März 2020) miterlebt habe. In den drei folgenden Jahren fiel der Müterśpröhtag aus bzw. wurde in sehr reduzierter Form begangen. Aber diesmal kehrt er zur alten Größe zurück, und ich bin vor Ort.
Die Fahrt als solche war nicht spektakulär. Ich habe es geschafft, um 6 Uhr loszukommen, war kurz vor 10 Uhr in Tschechien und kurz vor 16 Uhr in Polen. In Tschechien habe ich nur eine kurze Pause an einer Autobahnraststätte gemacht und war etwas überrascht, dass die Hälfte der Speisekarte aus vegetarischem Essen bestand. Da gibt es offenbar Entwicklungen, die ich nicht erwartet hatte. Ich habe aber trotz der großen Auswahl den traditionellen panierten Käse gegessen…
In Wilamowice angekommen fuhr ich als erstes zum Hotel – und musste dafür Wilamowice wieder verlassen. Denn nach wie vor gibt es in der Stadt selbst kein Hotel und als Besucher muss man ein Hotel in einem Nachbarort aufsuchen. Dieses Mal wohne ich in Jawiszowice, in einem Hotel, das wie das Haus ein es Gutsherrn aus dem 18. Jahrhundert wirkt, aber erst vor wenigen Jahren gebaut wurde. Das Hotel ist offenbar auch Hochzeiten und andere Familienfeiern spezialisiert, ich wohne allerdings ganz allein drin.
Dann bin ich noch einmal nach Wilamowice gefahren und habe als erstes getankt. Die Tankstelle war gleichzeitig eine Art Supermarkt, weshalb mich gleich auch noch mit etwas Bier versorgt habe. Es gab dort Bier aus Namysłów, das früher mal Namslau hieß, und sieh da, Namslauer Bier war wohl schon Ende des 19. Jahr ein Begriff, aus der – wenn ich der Wikipedia Glauben schenken darf – ersten Großbrauerei Deutschlands.
Anschließend habe ich einen Spaziergang durch Wilamowice gemacht, der allerdings nicht lange dauerte. Denn das eigentliche Zentrum der Stadt ist sehr klein, am einen Ende ist der Hauptplatz mit Rathaus, am anderen Ende die katholische Kirche. Der Hauptplatz ist derzeit abgesperrt, wegen Bauarbeiten, sodass der Heilige der Stadt, der Hl. Józef Bilczewski (1869–1923) etwas vereinsamt zwischen Baumaschinen steht. Als ich mich dann etwas weiter vom Zentrum entfernte, hat mich ein Mann angesprochen, der sein Fahrrad schob und wohl ein bisschen angetrunken war. Seine Frage nach der Uhrzeit konnte ich noch beantworten, aber seine Kommentare zum Sand auf dem Boden irgendwie nicht so recht. Erst allmählich dämmerte mir, dass er starken (kleinpolnischen?) Dialekt sprach.
So hatte ich zum ersten Mal überhaupt ein linguistisches Erlebnis in dieser Stadt, in der das Wilmesauerische zwar zu Hause ist, wo man es aber heute nur noch auf Muttersprachtragen u.Ä. hört. Ich weiß noch, wie ich bei einen ersten Besuchen auf der Straße gelauscht habe, ob vielleicht jemand etwas anderes als Polnisch spricht, und immer wieder enttäuscht wurde.
Aber mir war noch ein weiteres sprachliches Erlebnis vergönnt, und zwar im Kebab-Laden am Hauptplatz, den offenbar Libanesen betreiben. Es gab zum Glück vegetarisches Essen (Falafel mit Pommes Frites, der Hummus war ausgegangen), aber noch viel besser war die Sprache der Libanesen, eine nahezu unverständliche Variante des Polnischen. Vielleicht entsteht ja gerade eine neue Sprache, die man dann mit dem Wilmesauerischen kreuzen müsste.
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