18. August 2015: Von Kežmarok bis Pardubice

Wie schon angekündigt, gibt es vom gestrigen Tag eher wenig zu berichten, weil ich die meiste Zeit mit dem Auto unterwegs war. Inzwischen bin ich in Pardubice, wo ich einen Tag bleibe und von wo ich morgen nach Tübingen zurückfahre.

Wahrscheinlich wäre es das Beste gewesen, in einem Stück durchzufahren. Aber dazu war ich nicht in der Lage, schließlich mag ich die Slowakei ja auch sehr (das einzige Land der Welt, wo mich fast jede/r für einen Tschechen hält!). Und so passierte es schon, als ich dabei war, Kežmarok/Kesmark zu

Evangelische Holzkirche von 1717

verlassen – spontan dachte ich, dass ich doch zumindest die evangelische Holzkirche von 1717  besuchen muss, in der ich das erste Mal 1978 war. An das erste Mal erinnere ich mich nicht mehr besonders, aber bei allen weiteren Malen war es ein

Kriegerdenkmal in der neuen Kirche

Kunststück, schnell in die Holzkirche zu kommen. Denn jedes Mal wurde ich gezwungen, vorher die neue Kirche vom Anfang des 20. Jahrhunderts anzuschauen, die eigentlich nur dadurch bemerkenswert ist, wie viele Stile sich in ihr mischen. Der Legende nach wurde sie nach einem Bauplan von Theophil Hansen errichtet, den dieser für die evangelische Kirche in Jerusalem vorgesehen hatte. Die dann aber nicht zustande gekommen war. Diese schöne Geschichte ist längst

Aus der Holzkirche

wiederlegt, aber in der neuen Kirche von Kesmark kann man sie immer noch lesen. Ich war dort mit einer französischen Familie, die eigentlich auch in die Holzkirche wollte. Aber dort fand eine Führung statt und wir wurden in die neue Kirche umdirigiert. Immerhin darf man dort (und in der Holzkirche) jetzt gegen eine geringe Gebühr fotografieren. So kann ich nun endlich ein Bild des Kriegerdenkmals aus der Kirche präsentieren, das mich schon immer durch seine Geschmacklosigkeit beeindruckt hatte. In der Kirche ist auch der ungarische Aufständische Imre Thököly begraben, der 1705 im Exil in der Türkei verstorben ist, aber 200 Jahre später im Triumphzug zurückgeführt und in der Kirche beigesetzt wurde. Die aufsichtsführende Dame entschuldigte sich bei mir für die vielen Blumen in den ungarischen Fahnen und meinte, da könne man nichts machen, die Ungarn liebten das so. Und sie würde von Zeit und Zeit Blumen entfernen, wenn sie vertrocknet sind.

Szene aus dem Alten Testament
(Abraham und Isaak)

Irgendwann durften wir dann doch in die Holzkirche, die so schön war wie immer. Ich lauschte auch dem ersten Teil einer slowakischen Führung und weiß nun, dass rechts die Mädchen

Engelsgesicht

saßen, auf einer Empore mit Engelsgesichtern, und rechts die Knaben, auf einer Empore mit Episoden aus dem Alten und Neuen Testament. Die Gruppe, die geführt wurde, bestand aus slowakischen Jugendlichen, die richtig erschraken, als die Führerin meinte, sie müssten die biblischen Geschichten kennen. Aber sie hat sie ihnen doch selbst vorgetragen und nicht abgefragt.

Kapelle am Stausee

Von Kesmark bin ich dann bei immer noch erstaunlich gutem Wetter (es war für den ganzen Tag Regen vorausgesagt) nach Poprad gefahren, und von dort auf der Autobahn in Richtung Liptovský Mikuláš. Unterwegs sah ich dann einen Hinweis auf einen „Archeoskanzen“ Havránok – da traf sich gut, dass gerade die Autobahn zu Ende ging und ich auf dem Handy nachschauen konnte, was das ist. Ich muss gestehen, dass ich noch

Keltische Fundamente

nie von diesem Ort gehört habe, obwohl er sehr interessant ist. Und zwar hat man in den sechziger Jahren bei der Vorbereitung des großen Stausees Liptovská Mára eine keltische Siedlung gefunden und ausgegraben, die man heute oberhalb des Stausees besichtigen kann. Nach dem Freilichtmuseum habe ich fast eine Stunde lang gesucht, die Beschilderung war miserabel bis nichtexistent. Leider habe ich dann auch die Hinweise, die man mir in einem „šalaš“ (das ist eigentlich eine Hirtenhütte, aber heute heißen auch

(Nachgebaute) keltische Siedlung

oft kleine Restaurants so) gegeben hatte, falsch interpretiert, bin durchs Gestrüpp zu einem Friedhof

Blick ins Tal

aufgestiegen u.a.m. Aber am Ende war ich dann doch angekommen, links am See ist eine kleine Kirche, oben in der Höhe die Ausgrabungsstätte. Ich fand sie sehr interessant, wobei man allerdings wissen muss, dass die Hütten etc. nachgebaut sind, echt keltisch sind allenfalls die Fundamente. Aber die Lage des Ortes, über dem sich eine Kultstätte befand, ist wunderschön, und es wundert einen nicht, dass dort ins Mittelalter gesiedelt wurden. Nach den Kelten kamen die Germanen und dann die Slawen, und alle haben Spuren hinterlassen. Die keltische Besiedlung endet im 1. Jahrhundert nach Christus.

Ich habe dann noch in dem „šalaš“ zu Mittag gegessen und bin dann nur noch Auto gefahren. Bald fing es auch an zu regnen und hörte überhaupt nicht mehr auf. Die Versuchung zu weiteren Abstechern war folglich gering und das war auch gut so, denn ich war schon ziemlich spät dran undbin mit Hängen und Würgen kurz vor 20 Uhr in Pardubice eingetroffen. Von unterwegs gibt es nur noch von einer Raststätte kurz vor Olmütz zu berichten, wo ich einen Autoatlas kaufen wollte und in eine italienische Reisegruppe geriet, von der jede/r etwas kaufen wollte. Und die Verkäuferin konnte natürlich nur Tschechisch – man hätte einen Film darüber drehen können, wie Kommunikation auch ohne Sprache klappt. Wie die Sprachkenntnisse des Personals einzustufen sind, zeigt auch ein netter Zettel, den ich an der Türe der Raststätte fotografiert habe (die Italiener zu fotografieren habe ich mich wie üblich nicht getraut).

Soweit zu gestern. Heute schaue ich einige Dörfer in der Nähe von Pardubice an, zu diesen dann morgen mehr.

1 Kommentar

  • Der Abstecher bei Liptovksý Mikuláš hat mir nun die Flitterwochen meiner Frau und meinerseits in Erinnerung gerufen, was aufgrund der momentanen geographischen Trennung (bin ja noch immer in Rauischholzhausen bei der Sommerschule des Projektclusters "Jüdisches Heiliges Römisches Reich") eine gewisse Nostalgie aufkommen lässt. Aber da kam dann schon die italienische Gruppe des Weges… 🙂

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